Nächstes Jahr werden sie Thomas Mann in Bad Tölz feiern. 1909 hatte der Schriftsteller ein Landhaus im Norden der Kurstadt gekauft, wo er bis 1917 seine Sommerfrische verbrachte. Seine vier Kinder, die er damals hatte, sind sicher gerne nach Tölz gekommen, durften sie doch nach Herzenslust im riesigen Garten herumtoben. Daheim in München mussten sie ja immer mucksmäuschenstill sein, wenn der Zauberer am Schreibtisch saß und seine filigranen Bandwurmsätze konstruierte. Manchmal geht so einer über zwei Buchseiten mit nur wenigen Kommas und Strichpunkten, Hauptsätze mit Nebensätzen samt zweiten und dritten Nebensätzen und etlichen Einschüben kunstvoll ineinander verschlungen. So schreibt heute kein Mensch mehr, stilistisch ist Thomas Mann out. Alles muss kurz und noch im Halbschlaf am Frühstückstisch sofort verständlich sein, das gilt vor allem für Journalisten. Erst recht in Online-Zeiten, wo eine Schlagzeile wie "Tödlicher Unfall" eigentlich schon zu lange ist. "Tödl. Unf." würde vollauf genügen.
Wie Sprache auf zukunftsweisende Art zu gebrauchen ist, zeigen einmal mehr die Beamten, die schon immer wahre Meister darin waren, das Deutsch in seine Bestandteile zu zerlegen und kreativ wieder zusammenzuschrauben. Ein schönes Beispiel lieferte dafür die Sitzungsunterlage zur Nordumfahrung im Tölzer Stadtrat. Da stand zu lesen, dass die Fuß- und Radwegeverbindungen im Bereich BW3 nicht reichten, weshalb im Bereich BW2 eine Brücke gebaut werden sollte, analog BW5, was aber der VHT nicht will, der auf die R-FGU 2001 des bay. STMI verweist. Treffender und knapper kann man das nicht formulieren, alles Überflüssige ist getilgt. Dem Leser werden damit Zeit und Tippfehler erspart, von Rechtschreibkuriositäten ganz zu schweigen.
Auch die Veranstalter des Tölzer Gesundheitskongresses fassten sich in ihrem Programmprospekt erfreulich kurz und setzten im Titel für die Tagung sogar noch eins drauf. "Change in der BGM-Praxis" - in seinem Connect von Denglish und Abk. klingt das richtig cool. Daran sollten sich auch Journalisten orientieren, wenn sie künftig über eine Stadtratssitzung berichten. Etwa so: "TÖL Bgm. bez. NTHK as trendsetting." Ein Vorteil wäre auch, dass sie so mit ihren Artikeln viel schneller fertig wären. So bliebe mehr Zeit, um vielleicht mal wieder Thomas Mann zu lesen. Es muss ja nicht gleich der Bandwurmroman "Joseph und seine Brüder" sein.