Mitten in Bad Tölz:Die Wahrheit übers Jobcenter

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Die Realität? Die gibt es in der Behörde offenbar nur zu sehen, wenn die Presse nicht dabei ist

Kolumne von Klaus Schieder

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan tourt in diesen Sommertagen durch den Landkreis. Rundgang mit den Isarrangern, Besuch der Gemeindebücherei Lenggries, unterwegs mit der Müllabfuhr in Warngau. Damit die Lokaljournaille ihn mit Schreibblock und Kugelschreiber begleiten kann, hat Radwan sein Sommerprogramm groß angekündigt. Auch die besuchten Einrichtungen haben vorab oft noch einmal Werbung gemacht. Nicht so allerdings das Tölzer Jobcenter. Andreas Baumann, der Chef des Jobcenters, hat vorher absichtlich nichts und hernach in einer Pressemitteilung verlauten lassen: "Um ein realistisches Bild des Jobcenters zu zeigen, wurde der Besuch den Mitarbeitern und der Presse nicht bekannt gegeben." Na, das ist mal erfrischend ehrlich.

Den Ausgeladenen, vulgo gar nicht erst Eingeladenen war ja schon immer bewusst, dass sie das Bild der Wirklichkeit grob verfälschen. Dazu müssen sie in ihren Artikeln noch nicht einmal mit SGB II und Hartz-IV, mit Bedarfs- und mit Hausgemeinschaften so lange herumjonglieren, bis ihnen alles runterfällt. Es genügt einfach ihre Gegenwart, schon wird eine heile Welt vorgeblufft, am Ende gibt es allerseits ein ausdauerndes Lächeln für die Pressefotografen, Danke, tschüss. Im Beisein eines Bundespolitikers ist dies für den Jobcenterchef eher nicht zielführend, wenn er später mehr Personal und mehr Geld fordern möchte. Immerhin hat Baumann der Lokalpresse schriftlich auch mitgeteilt, was echt Sache war bei Radwans Besuch: "Es entstand ein interessanter Austausch über die drängenden Probleme im Jobcenter Bad Tölz-Wolfratshausen." Das ist sehr gut zu wissen.

Auf der Recherche nach den Details solcher Herausforderungen kann man auch Youtube fragen. Dort hat Baumann einen Zwei-Minuten-Trailer über das Tölzer Jobcenter veröffentlicht, der geradezu eine Augenweide ist: Sommerwiesen, Schmetterlinge, blauende Berge, der Jobcenter-Chef im heiteren Gespräch mit seinem Mitarbeitern, die grandiose Architektur der "Schnecke" auf der Flinthöhe. Selten dürfte es einer Behörde gelungen sein, ein realistischeres Bild von ihren Sommerferi ... , pardon, ihrem Arbeitsalltag ... Schluss. Diesen Satz zu vollenden, wäre in jedem Fall verfälschend.

© SZ vom 06.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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