Mitten in Bad Tölz:Die unermüdliche Maklerin

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Eile mit Weile: das unvergessliche Ende eines Wohnungsgesuchs

Von Klaus Schieder

Das menschliche Gehirn ist kein Computer, und so fällt viel Wichtiges im Leben dem Vergessen anheim. Die Jahreszahl der großen Ritterschlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen, die Bildung der Umkehrfunktion in der Mathematik oder der nächste Termin beim Zahnarzt - all das ist uns leider entfallen. Gegen solche Zerstreutheit helfen auch all die PC-Speichersysteme nichts, denn wir vermögen uns schon nach kurzer Zeit nicht mehr zu erinnern, wo wir den Geburtstag von Tante Frieda notiert haben. Vielleicht irgendwo zwischen der versehentlich ungelöschten Werbemail für eine Prepaid Mastercard in edlem Mattgold und der VHS-Mitteilung für ein Anti-Demenz-Training.

Umso mehr bewundern wir jene Menschen, die ein Computergedächtnis oder zumindest eine phänomenale Ordnung in ihrem Büro-PC haben. So erreichte uns dieser Tage die E-Mail einer Wolfratshauser Immobilienmaklerin, die uns mitteilte, dass sie eine schöne Dreizimmerwohnung in Geretsried mit traumhaftem Blick ins Grüne anbieten könne. Darauf haben wir uns nicht mehr zu warten getraut: Unsere Anfrage stammt aus dem Jahre 2011 und ist damit nicht ganz so lange her wie die Ritterschlacht bei Dürnkrut. Seit sechs Jahren leben wir nun schon in einer Dreizimmerwohnung in Tölz mit Blick auf Nachbars Büsche und eine Hauswand, aber das macht nichts. Wir sind gerührt von so viel Fürsorglichkeit. Es hätte ja auch sein können, dass wir mittlerweile unter einer der vielen Brücken an Loisach oder Isar hausen müssen - eingehüllt in einen schmuddeligen Anorak und löchrige Decken, umgeben von feuchtem Hausrat - und jeden Morgen verzweifelt in den batteriebetriebenen Computer schauen, ob vielleicht nicht doch irgendwo ein bewohnbares Kellerabteil für mtl. 1000 Euro, KM, zzgl. 3 MM Prov. ...

Halbwegs bezahlbare Quartiere sind in dieser Region schließlich eine wahre Rarität - das zeigte seinerzeit schon die Reaktion anderer Maklerbüros in Wolfratshausen auf unser Begehr. Die einen bekundeten ihr Desinteresse mit einem Anrufbeantworter im Dauerbetrieb, andere ließen es klingeln und gingen erst am fünften Tag ran, forderten dann resolut einen Blick auf unser Bankkonto und ließen nie wieder von sich hören, wieder andere erschienen nicht zu Besichtigungsterminen. Vor diesem Hintergrund ist die Wolfratshauser Maklerin eine gar löbliche Ausnahme. Wir werden ihr Angebot niemals vergessen.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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