Mitten in Bad Tölz:Die Stadt der falschen Fuffziger

Lesezeit: 1 min

An keinem anderen Ort kommt man so zur Ruhe wie an der Supermarktkasse - dank der vielen Cent-Münzen und der X,99-Preise

Von Klaus Schieder

Es ist dieser Tage schon ein Glück, dass wir einen dicken Geldbeutel haben. Das heißt nicht, dass darin große Banknoten stecken. Im Gegenteil, das Portemonnaie ist bis zum Zerreißen mit Ein- und Zwei- und Fünf-Cent-Münzen gefüllt. Vor 14 Jahren, als die Währung umgestellt wurde, hatten wir vergeblich gehofft, es möge Schluss sein mit diesen x,99-Preisen, die dem Kunden auf billige Weise suggerieren sollen, die Ware sei günstiger als sie ist. Aber gut, es gibt ja auch einen sozialen Aspekt dabei. Im hektischen Alltag kommt man an kaum einem anderen Ort so zur Ruhe wie vor der Supermarktkasse, wenn dort jemand seine Rechnung von 14,67 Euro wieder mal in kleiner Münze zu einem und zwei und fünf und wieder einem Cent zahlt. Früher haben wir uns über derlei Pfennigfuchserei geärgert, inzwischen handhaben wir das genauso und lassen den 50-Euro-Schein in der Börse.

Wir leben schließlich in Bad Tölz. Weil nicht bloß am Gymnasium, sondern mittlerweile auch in Geschäften und Gaststätten falsche 50-Euro-Noten aufgetaucht sind, möchten wir es tunlichst vermeiden, als Falschmünzer von Rang an der Kasse verhaftet zu werden, nur weil uns ein nachgemachter Schein untergejubelt wurde. Außerdem liegt es uns ferne, den neuen Ruf von Tölz als Stadt der falschen Fuffziger verfestigen zu wollen. Sicher gibt es jetzt Spötter, die diesen Ausdruck gleich unbillig auf Lokalpolitiker übertragen, nur weil ihnen ein Stadtratsbeschluss nicht passt. Aber das ist ebenso verkehrt. In Tölz geht alles mit rechten Dingen zu, ein wunderschönes Fleckchen Erde, wie Bürgermeister Josef Janker immer sagt. Damit das so bleibt, sollte jeder in dem Kurort sein Scherflein zu Blüten..., pardon, zur Blüte der Stadt beitragen. Am besten mit mehr als einem Scherf, also einem Pfennig. In Ruhe sollte jeder Tölzer ob zwölf Millionen Euro Schulden der Kommune mal darüber nachdenken, wie viel er spenden kann. Sagen wir, 50 Euro. In Münzen. Nicht in falschen Banknoten.

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: