Mitten in Bad Heilbrunn:Die Umleitung als Chance

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Wer braucht schon Maislabyrinthe, wenn man auch durch Orte mäandern kann...

Von CLAUDIA KOESTLER

Natürlich wischt man es naserümpfend als Klischee ab, wenn irgendwo, irgendwer wieder jene Stereotypen aufzählt, die als deutsch gelten: diese gewisse schnörkellose Korrektheit und natürlich der damit einhergehende Hang zum Pendantismus. Nein, die Deutschen wollten nicht unhöflich wirken, sondern verstünden sich nur als geradeheraus, warnte jüngst eine britische Touristikzentrale Hotelbetreiber auf der Insel. Doch geradeheraus hin oder her, über allem steht doch hierzulande die Ordnung. Für die Existenz dieser besonderen Vorliebe dürften Aktenordner sprechen, Ordnungshüter, Ordnungsämter, zahllose Verordnungen und als Variante Ortsgestaltungssatzungen, die schließlich dazu da sind, um... ja genau, Ordnung zu schaffen im Dorf.

Man mag all das als typische Eigenschaften weit von sich weisen. Doch kaum ist man von einem längeren Auslandsaufenthalt zurück, weiß man wieder manches zu schätzen, das durchaus einem Klischee entsprechen könnte. Zum Beispiel all die vielen schönen Schilder, die einem hierzulande den Weg weisen und Ordnung ins Verkehrschaos bringen. Kurz vor Königsdorf etwa erklärt derzeit ein großes Schild, dass der Ausbau der B 11 zwischen Reindlschmiede und Abzweigung B 472 nur bis Ende September dauert. Auf dem Rückweg von Benediktbeuern aber überrascht einen just an dieser Abzweigung - und obwohl schon Anfang Oktober ist - ein Umleitungsschild. Das große gelbe Schild lotst aber gar nicht über Bad Tölz, so scheint es, sondern nur bis nach Bad Heilbrunn, wo es plötzlich links ab in die Ortsmitte weist. Dass es von dort aus einen geheimen Pfad nach München geben soll, ist zwar auch Ortskundigen neu, aber man folgt brav dem Klischee der Schildergehorsamkeit. Hinein also ins Zentrum Bad Heilbrunns, vorbei an Kirche, Quelle und der großen Freifläche, wo einst das Kurhaus stand. Ehe man die Zweifel, ob das wirklich eine richtige Umleitung sein kann, zu Ende gedacht hat, ist man wieder raus aus dem Ort und zurück auf der Straße Richtung Bad Tölz. Offenbar dient der Umweg nicht als kürzeste Alternative, sondern als Chance, Bad Heilbrunn mal wieder näher zu inspizieren. Umleitungen als touristische Chance, auch so etwas geht hierzulande in Ordnung.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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