Mitten im Oberland:G 7 und die Bombe

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Zuviel Obrigkeit führt manchmal zu eigentümlichen Widerständen - selbst bei den Anständigsten

Von Claudia Koestler

Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat gerade einen neuen Standortvorteil. Nein, nicht eine dieser Plattitüden, die Freunde des Marketings gelegentlich erfinden, "Grüne Oase am Alpenrand" oder ähnliches. Diesmal geht es um einen Forschungszweig, der momentan beste Bedingungen bietet, wenn auch nicht für lange.

Wie bei allen guten Aufgaben klingt die Problemstellung erst mal einfach: Welche Freiheiten kann sich ein sonst unbescholtener Bürger noch herausnehmen, wenn in unmittelbarer Nähe ein G-7-Gipfeltreffen stattfindet? Also, wenn das mal nicht zur Feldforschung einlädt! Dachte sich die Mutter einer Kollegin. Eine Bürgerin, wie man sie sich als Staatenlenker nur wünschen kann: Anständig, liebevoll, hilfsbereit, steuerzahlend. Und doch kommt da manchmal jenes Funkeln in ihre Augen, wenn es darum geht, den Reiz des Verbotenen ein bisschen auszutesten oder ein klitzeklein wenig renitent zu sein gegen die Obrigkeit. Man hört, das könnte auch in den Genen liegen: Schon die Großmutter der Kollegin lauerte als Zeitvertreib gerne Kaffeefahrtbetreibern auf, um ihnen die Meinung zu geigen.

Nun kann man die Staats- und Regierungschefs vielleicht nicht mit Kaffeefahrtbetreibern gleichsetzen, dennoch: Die Begleitumstände deren Besuchs, konkret die Polizeiüberpräsenz und Überwachung, weckte die Renitenz bei der Mutter. Und sie wollte es genau wissen: Wie weit gilt man noch als unbescholtener Bürger? Etwa beim Abenteuer einer wieder eingeführten Grenzkontrolle? Der Ausflug nach Österreich war schnell geplant, doch die Enttäuschung groß: Bei der Ausreise gab es gar keine Kontrolle. Im Nachbarland angekommen, nutzte sie aber den Ausflug, um einzukaufen. Und was fand sie im Regal? "Gipfelstürmer" und eine Orangenlimonade mit dem Namen "Schartner Bombe" ("Österreichs bombige Erfrischung"). Da gab es kein Halten: Beides musste mit, demonstrativ deponiert, nur um zu sehen, was passiere. Die Beamten aber winkten sie auch diesmal durch, mit einem Lächeln im Gesicht.

Ein unerwartetes Ergebnis aber brachte die Feldforschung doch: Dass das Mini-Renitenz-Gen vielleicht überspringen könnte. Warum sonst schreibt man eine Kolumne, in der mehrfach das Wort Bombe vorkommt, ausgerechnet wenn der oberste Amerikaner hier weilt? Nur um zu sehen, ob auch die NSA und CIA zum Leserkreis gehören? Wenn Sie jetzt länger nichts mehr von uns hören, dann steht zumindest fest, bei welchen Signalwörtern die Grenze der unbescholtenen Tratzerei inzwischen doch schon ausgereizt ist. Selbst wenn der Inhalt noch so harmlos ist.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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