Mitten im Landkreis:Strafzettel statt Staubsauger

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In den Zeiten von Callcentern klingeln Vertreter, die Staubsauger, Wein oder Versicherungen verkaufen wollen, nur noch selten an der Wohnungstür. Die Kommunale Verkehrssicherheit Oberland lässt diese Art von Kundennähe wieder aufleben: Sie schickt künftig Außendienstmitarbeiter ins Haus - um bei vergesslichen Klienten Bußgelder einzutreiben

Von Klaus Schieder

In grauer Vorzeit klingelte es tagsüber häufiger mal an der Wohnungstür, davor stand ein Herr im billigen Anzug, der zum Beispiel einen Staubsauger verkaufen wollte. Auf dem Teppichboden mit seinen Flusen und Krümeln durfte er die allerneueste Errungenschaft der Unterdruck-Gebläse-Technik ruhig vorführen und einem so die Hausarbeit abnehmen, worauf er sich mit dem völlig überteuerten Ding zu trollen hatte, aber flott. Wenig später kam ein anderer Herr im Anzug, der einen Sauerampferwein anpries, wieder ein anderer mit irgendeinem Supermixer, dann so ein Typ von der Hamburg-Mannheimer ... Seit der Erfindung von Callcentern sind derlei vorsintflutliche Verkaufsbesuche eher selten geworden. Heutzutage haut man den Kunden zur Abendessenszeit am Telefon übers Ohr.

Im Landkreis könnte nun wieder öfter die Türklingel schellen. Auf der Fußmatte stehen dann womöglich die neuen Außendienstmitarbeiter der Kommunalen Verkehrssicherheit Oberland (KVO), die Knöllchen verkau ... , pardon, unbezahlte Strafzettel im Auftrag der Kommune eintreiben. Dafür hat sich der Zweckverband sogar eigens einen neuen Decknamen zugelegt: Er heißt jetzt Kommunales Dienstleistungszentrum Oberland (KVDZ). Und irgendwie stimmt das ja auch. Die säumigen Zahler unter den Verkehrssündern brauchen nicht mehr zu ihrer Bank zu laufen, sie können das Bußgeld gleich in ihrer Wohnung abdrücken. Wenn nicht in bar, dann ersatzweise in Form ihres Fernsehers, ihres Staubsaugers, ihres Supermixers.

Vielleicht auch nicht. Bei solchen Visiten ergibt sich ja sicher die Gelegenheit, die Herrschaften von der KVDZ erst einmal aufs Sofa zu lotsen und ihnen den Wein anzubieten, den so ein Handelsreisender vor ein paar Jahren dagelassen hat. Man schenkt ein, kommt langsam ins Gespräch, schenkt ein, bietet Kekse an, schenkt ein, erzählt sich Witze über besoffene Fahrer, schenkt ein. Am Ende bringt man den Besuch mit dem Auto nach Hause, alle haben einen vergnüglichen Abend erlebt. Und wenn sich die KVO-oder-KDVZ-Leute nicht darauf einlassen? Dann gilt eben, was die Verbraucherzentrale bei Vertretern rät: Nichts bezahlen, was man nicht versteht.

© SZ vom 14.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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