Mitten im Landkreis:Idyll mit Dornen

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"Ach, ist der Garten aber schön! Macht sicher viel Arbeit?", schwärmen immer wieder Gäste. Allerdings. Wie viel Arbeit lässt sich derzeit an den Wertstoffhöfen beobachten

Von Gerhard Wilhelm

Wer einen eigenen Garten hat und Besuch bekommt, der hört oft wie schön man es doch habe. Wie toll die Rosen duften, wie schön es aussehe, wenn die Bienen und Schmetterlinge von Blüte zu Blüte fliegen, wie herrlich dieser oder jener Strauch an einer gewissen Stelle aussieht und wie beruhigend es sei, den Fischen im Teich beim Schwimmen zuzusehen und das Plätschern des Wassers zu hören. "Schön ist das alles, ein richtiges Idyll", heißt es dann oft. Wenn man Glück hat, kommt noch eine Alibi-Frage wenigstens hinterher: "Aber macht schon ein bisserl Arbeit, oder?"

Wer keinen Garten hat und wissen will, was Gartenbesitzer von dem "Idyll" mit dem "bisserl Arbeit" halten, der sollte mal am Samstag zum Wertstoffhof fahren. Säckeweise wandern Grünzeug und Blätter in die Container. Und wer hat es in stundenlanger Arbeit weggeschnitten oder zusammen gerecht? Wer hat die Kratzer von den Dornen an der Hand oder am Arm? Richtig, der angeblich so stolze Besitzer des Idylls. Am Samstag trifft man sich, um sich gegenseitig zu bekunden, dass die Nicht-Gartenbesitzer keine Ahnung haben, was an Arbeit anfällt. Während die sich bei schönem Wetter noch am See tummeln, abends in den Biergarten gehen oder mal schnell wegfahren, mäht der Gartenbesitzer den Rasen, schneidet die Rosen, kämpft gegen das Unkraut an, kürzt Sträucher, düngt, jätet und so weiter.

Alles kein Problem, wenn man Zeit hat. Hausbesitzer unter 35 bis 40 Jahren sind zumindest in Neubausiedlungen pragmatischer. So ein Haus ist nämlich in der Regel nur dann finanziell zu stemmen, wenn beide einen Job haben - sprich, wenig Zeit haben. Deshalb werden die Gärten pflegeleicht angelegt: ebene Rasenflächen ohne Hindernisse für den Mähroboter, keine Sträucher, Rosen die geschnitten werden müssen oder viele Blumen in Töpfen, keine Bäume. Bevorzugt werden große Terrassen, große Kies- und Plattenflächen und wer es sich leisten kann, säht keinen Rasen, sondern baut einen großen Pool. Die Jugend von heute ist schlauer als ihre Eltern.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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