Mitten im Landkreis:Fahren und Recht haben

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In Italien mögen Verkehrsschilder als Dekoration gelten. Auf den Kreis- und Bundesstraßen im Landkreis gilt jedenfalls das Recht des Stärkeren

Von Klaus Schieder

Dem Italiener am Steuer wird gerne nachgesagt, dass er Verkehrsschildern rein dekorativen Wert beimisst. Zwischen Meran und Mailand ist dies immer schön an Kreisverkehren zu beobachten, wo sich alle Autos in einem Knäuel zusammenfinden, der sich mit Hupen, Winken und Rufen jedoch schnell und aufs Wundersamste auflöst. Das ist hierzulande anders, wie sich etwa in den vielen Kreiseln in Bad Tölz sehen lässt: Da fahren manche stur rein, ohne Vorfahrt, ohne beim Hinausfahren zu blinken, ohne Kenntnisnahme von Fußgängern und Radlern. In diesen Rondells bewahrheitet sich, was Kurt Tucholsky konstatiert hat: "Der Deutsche fährt nicht wie andere Menschen. Er fährt, um Recht zu haben." Wobei es sich meist ums Recht des Stärkeren handelt.

Umso mehr sind Verkehrsschilder nötig. Seit Wochen stehen nun schon neue Geschwindigkeitstafeln an der Kreisstraße TÖL 7 kurz vor Königsdorf und an der Bundesstraße 11 kurz nach Königsdorf. Das Tempo ist auf beiden Abschnitten wegen Baustellen erst auf 70, dann auf 50 Stundenkilometer beschränkt. Das Problem: Es gibt dort gar keine Baustellen. Das stürzt Deutsche am Steuer in Konfusion. Der eine bremst sein Auto brav auf Tempo 50 herunter, weil Vorschrift nun mal Vorschrift ist und die Straßenverkehrsordnung gleich nach, wenn nicht sogar vor den Zehn Geboten kommt. Der andere fährt ihm dagegen fast auf den Kofferraum, fuchtelt, schreit und lichthupt, weil sein verfassungsmäßiges Recht auf ungebremste Fahrt ausgehebelt wird.

Wenn er es bei all dem Verkehr aber schafft, den gesetzestreuen Idioten vor sich zu überholen, kommt von rechts ein ganz anderes Phänomen daher: der boarische Bauer. Der sitzt auf einem Traktor, fährt gemütliche 30, hört nix und sieht nix. Warum auch. Mia samma eh die Stärker'n.

© SZ vom 24.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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