Mitten im Landkreis:Dicke Freunde nehmen Abschied

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Schweinsbraten, Gans, Blut- und Leberwürste: Von dicken Freunden hieß es am Neujahrstag Abschied nehmen. Die neuen Liebschaften tragen die Namen Askese, Hunger und Salat.

Von Michael Morosow

Schön war's mit dir, lieber Schweinsbraten. Adieu, du resches Ganserl mit Kartoffelknödel und Blaukraut. Pfüat eich Gott, meine herzallerliebsten Blut- und Leberwürscht. Wir waren lange Zeit dicke Freunde gewesen, vielleicht sogar noch mehr. Liebe, so heißt es schließlich, gehe durch den Magen. Seit dem Neujahrstag sind wir getrennt. Die neuen Liebschaften tragen die Namen Askese, Hunger und Salat. Auf Bairisch heißt das: d'Fotzn an d'Tischkantn hi haun. Es musste sein, der Gürtel hatte schon bedenklich gespannt, der Body-Mass-Index entsprach dem eines Walfisches, und beim Schuhbänder binden wären fast die Augäpfel rausgesprungen.

Und dann waren auch noch die vielen grausamen Witze, die man so leicht nicht verdauen kann. Schwarten wie: "Na, treiben Sie Breitensport?" gehen einem schon unter die Haut. Das Ziel für 2016 heißt: Schlank werden wie der unverschämt dürre Kollege, der gerne Klage führt darüber, dass er essen könne, was er will, aber ums Verrecken nicht zunehme. Einmal tief einatmen, und weg wäre er. Stimmt doch auch. Wir Opfer der biologischen Erbmasse müssen nur kurz auf die Bremsspur eines Bierlasters schauen, und schon nehmen wir zu. Eigentlich könnten wir uns die Pfannkuchen gleich an die Hüfte kleben. Und die anderen, die können am Abend essen und trinken, bis es ihnen oben steht, und wachen tags darauf wieder mager auf.

Das Jahresziel also ist wagemutig: Schlank werden wie der Kollege. Um das zu erreichen, wurde die Partnerin dazu verpflichtet, einige Regeln einzuhalten: Nur noch fettfrei kochen, keine Krümel rumliegen lassen, nachts die Küche zusperren, täglich den Bio-Abfall entleeren. Die erste Zwischenbilanz nach einer Woche kann sich sehen lassen: nur noch 30 Kilogramm über dem Idealgewicht.

Es geht voran, jetzt nur nicht nachlassen bei der Selbstkasteiung, wie schon einmal geschehen. Damals passte bald keine Hose mehr, weshalb im Zustand der Euphorie, wahrscheinlich durch Unterzucker ausgelöst, unbedingt Hosen in Knabengrößen gekauft werden mussten. Und dann kamst du, mein lieber Schweinsbraten, und hast mit deiner reschen Kruste so aufreizend gewackelt. Und ein Knödel glänzte verführerischer als der andere, so dass es kam, wie es kommen musste. Alte Liebe rostet halt doch nicht.

Nüchtern betrachtet, lieber Schweinsbraten, bist du schon eine gemeine Sau. Mit Knödel und Specksalat waren es damals allerhöchstens 500 Gramm Sünde gewesen. Am nächsten Morgen aber gab es eine dicke Überraschung, die Waage zeigte ein Kilogramm mehr an. Die wundersame Schweinsbratenvermehrung drückte damals wie ein Knödel auf die Moral. Heuer aber wird alles anders. Da kannst du noch so oft mit deiner Kruste wackeln. Und einen schönen Gruß noch an die beleidigte Leberwurst.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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