Mitten im Frühling:Müde wie im Winter

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Die Tage werden wieder länger. Aber die Augenlider bleiben schwer

Von Gerhard Wilhelm

Kennen Sie das auch? Die Tage werden wieder länger und die Schlafphasen auch. Dabei hatte man doch eigentlich gehofft, dass nach der endlos langen, dunklen Jahreszeit das Leben wieder Fahrt aufnimmt, wenn es wieder wärmer draußen wird, die Sonne strahlt und die Vögel schon morgens ihr Liedlein zwitschern.

Die Realität sieht anders aus. Abends könnte man schon nach der Tagesschau ins Bett fallen, weil man so müde ist. Und am Morgen klammert einen das Bett so fest, dass eine Flucht oft unmöglich erscheint. Ebenso unmöglich, wie der Gedanke, in die Arbeit zu gehen. Zwar hat bis vor einer Woche die Sonne noch motivierend ins Schlafzimmer geschienen und erste Frühlingsgefühle geweckt, aber ein Blick zur Zeit am Morgen aus dem Fenster zeigt: alles nur Illusion, es ist nicht Frühling, es ist immer noch Winter. Das Thermometer bestätigt dies, der Schnee, der im Garten liegt sowieso. 2,5 Grad am Morgen ist definitiv zu kalt, um sich nach draußen zu wagen. Eigentlich will man nur eines: wieder ins warme, kuschelige Bett und die Decke über sich ziehen.

In diesem Elend tröstet nur eines: man ist nicht alleine. Laut Statistik fühlt sich jeder Zweite in Deutschland zu Beginn des Frühjahrs gereizt und abgeschlagen. Gefühlt ist es aber - bis auf ein paar ewige Frohnaturen - jeder, der im näheren Umfeld jammert. Warum nach dem Winterblues die Frühjahrsmüdigkeit kommt, ist nicht klar. Fest steht aber, dass die beiden Hormone Serotonin und Melatonin beteiligt sind. Serotonin ist für die gute Stimmung zuständig. Das Hormon wird unter Lichteinfluss produziert. So weit, so gut. Die Sonne scheint - ab und an. Mit der Steigerung von Serotonin wird gleichzeitig die Produktion von Melatonin gedrosselt. Das so genannte Schlafhormon sorgt dafür, dass wir in der Nacht erholsam schlafen können.

Und was raten Mediziner gegen die Frühjahrsmüdigkeit? Empfohlen wird, sich nicht der Müdigkeit hinzugeben, sondern sich viel im Freien aufzuhalten, sich dabei viel zu bewegen und die Sonne zu genießen. Tolle Tipps. Erst muss man es aber aus dem Bett schaffen, dann aus dem Haus. Und wo landet man dann, wenn man nicht gerade einen Job im Freien wie Förster oder Landschaftsgärtner hat? Im Büro, wo man statt Sonnenlicht die Deckenlampe an hat und den lieben langen Tag auf seinem Hintern sitzt.

Leider gilt Frühjahrsmüdigkeit nicht als eigenständige Krankheit, sonst könnte man sich krankschreiben lassen und auf Rezept vielleicht sechs Wochen in die Sonne fliegen. Dort könnte man dann bei langen Spaziergängen am Meer die Sonne genießen und sich von der Frühjahrsmüdigkeit auskurieren. Leider. Für das Rezept hätte man es vielleicht sogar leichter aus dem Bett geschafft.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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