Mitten im Badezimmer:Waagen lügen nicht

Ungeschönte Wahrheiten will man nicht wissen

Kolumne Von Iris Hilberth

Früher, als die Menschen noch nicht mit ihren Haushaltsgeräten kommuniziert haben, als ein Smart-Home als ausgemachter Quatsch aus Science-Fiction-Filmen galt, gab es zumindest ein Ding in jedem Badezimmer, das doch bereits ein Eigenleben führte. Meist hatte es keinen besonders ehrenwerten Charakter, denn man konnte davon ausgehen: Die Waage lügt. Nun können diese Messgeräte von heute natürlich viel mehr als nur eine schnöde Zahl anzeigen. Denn was sagen 105 Kilo schon aus, wenn das reine Muskelmasse ist. Eine innovative Smart-Waage analysiert den ganzen Kerl: Körperfett, Viszeralfett, Body-Mass-Index, Körperwasseranteil - und schickt alle Daten sofort aufs Handy.

Auch die chinesische Firma Phicomm, die ihre Europazentrale nahe München hat, führt so eine Waage im Sortiment. Die lügt garantiert nicht, wie die Phicomm-Leute sagen. Im Gegenteil: Sie ist zu ehrlich. Das Gerät teilt dem Nutzer ungeschönt mit: "Sie sind fettleibig. Körperzustand: halb gesund. Treiben Sie Sport!" In China ist das Ding ein Renner. Beschwerden habe es dort keine gegeben. In den USA dagegen fühlten sich die Nutzer beleidigt. Für den deutschen Markt bastelt die Firma an vorsichtigeren Formulierungen. "Korpulent" wird der ausgeprägte Apfel- oder Birnentyp hier genannt. Das ist ehrlich genug.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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