Mitten auf dem Bauernhof:Kein Happy End fürs Urmele

Lesezeit: 1 min

Landwirtschaft ist keine Puppenkiste

Von Claudia Koestler

Die Grünen wollten mal den Veggie-Day auftischen. Allerdings war dieser Serviervorschlag damals vielen noch sprichwörtlich wurst. Unter örtlichen Pressevertretern ist allerdings das Verlangen nach einem Vegetariertag kürzlich unvermittelt wieder aufgetaucht. Genauer gesagt, am Donnerstag, mitten aus einem Idyll heraus. Auf der Sonnenbank sitzen Landwirt und Pressevertreter, über ihnen hängen die Trauben vom Balkon. Das Leben könnte so schön sein. Aber: Das Leben ist keine Puppenkiste. Und das wird den supermarktverweichlichten Journalisten jäh bewusst, als der Landwirt das anberaumte Pressegespräch unterbricht. Er müsse jetzt mal kurz "Urmel zum Schlachter bringen". Spricht's und entschwindet.

Urmel! Wer mit der Augsburger Puppenkiste groß geworden ist, denkt da sofort an die Insel Titiwu, an Professor Habakuk Tibatong, das Hausschwein Wutz, und das gefrorene Ei aus der Urzeit, woraus das niedliche Urmel schlüpft. Und die kindgerecht klare Abgrenzung von Gut und Böse, wenn König Pumponell von Pumpolonien sich auf den Weg macht, um das liebe Urmele zu jagen.

In diesem Fall aber ist König Pumponell von Pumpolonien der Landwirt, und Urmel der hofeigene Stierkoloss. Weil er jüngst den Bauern eingequetscht hatte, muss er nun zum Schlachter. Also wird das Gespräch unterbrochen, ein Happy End gibt es für dieses Urmel nicht. Die Gedanken der schreibenden Kollegen kreisen fortan um schwer Verdauliches. Zum Beispiel um das letzte Steak und um Nina Hagen, die einst warnte: Wer Fleisch isst, mache aus seinem Magen einen Friedhof. Auf jeden Fall aber ist eine Kindheitserinnerung fortan getrübt, das schlechte Gewissen da. An diesem Abend des ach so realen Lebens schmecken nicht mal mehr die eilends gekauften Artischocken. Sogar die haben nämlich ein Herz.

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: