Miiten im Landkreis:Tage der Ruhe

Der Mensch von heute ist immer erreichbar, erreicht aber nicht immer alles

Von Claudia Koestler

Ach, es war nicht alles schlecht damals, in den 1970er und 1980er Jahren, als der Telefonapparat noch aus schwerem Kunststoff bestand, eine Wählscheibe besaß und der Hörer mit Samt ummantelt war. Damals herrschten auch noch eherne Regeln fürs Telefonieren. Dieser ungeschriebene, aber geachtete Gesellschaftsvertrag verbot Anrufe vor 9 Uhr morgens, in der Zeit von 12 bis 15 Uhr ("Mittagsruhe") sowie von 20 bis 20.15 Uhr ("Tagesschau").

Heute sind diese Regeln außer Kraft gesetzt. Verfügbarkeit zählt, und zwar von allem und jedem. Zumindest gaukeln das die modernen Telefone vor, weil man sie stets dabei hat und sich damit unter Zugzwang setzt, erreichbar sein zu müssen. Da hilft nur gegensteuern, und zwar mit eigenen Ruhezeiten. So wie es die Region zwischen Bad Tölz und Wolfratshausen vormacht: Alles kann, nichts muss, und schon gar nicht dann, wenn es andere wollen. Ob Einkaufen im Dorfladen, die Post losschicken oder etwas essen gehen: Theoretisch geht alles. Praktisch steht man aber irgendwie immer vor verschlossenen Türen. Moderne Zeiten hin oder her: Die höchstmögliche Individualität der Ruhetage und Öffnungszeiten von Läden, Geschäften und Wirtschaften, die lässt sich hierzulande noch von keiner App ausschalten.

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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