Mehr Genossen:Die Groko bringt's

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Wolfgang Werner glaubt, die SPD könnte durch eine große Koalition noch weiter geschwächt werden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

SPD-Kreisverband erlebt ungewöhnlichen Mitgliederzuwachs. Vorsitzender Wolfgang Werner ist im Zwiespalt

Von Felicitas Amler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Für die wenig erfolgsverwöhnte Landkreis-SPD ist es eine gewaltige Zahl: 35 Neue seit 1. Januar in einem bis dahin 330 Mitglieder starken Verband - die Leiterin der Geschäftsstelle ruft "Wahnsinn!" und wiederholt es ein ums andere Mal: "Es ist Wahnsinn! Wahnsinn!" Viola Seidel sitzt in dem Büro an der Wolfratshauser Bahnhofstraße, wo sie für die Geschäfte der SPD in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Starnberg und Miesbach zuständig ist. Seit 20 Jahren sei sie bei der SPD, sagt sie, aber so viele Eintritte in so kurzer Zeit - in den drei Landkreisen sind es zusammen 100 - habe sie noch nie erlebt: "Es macht Spaß."

Über die Frage nach den Motiven der Neumitglieder kann Seidel nur genauso spekulieren wie der Kreisvorsitzende Wolfgang Werner. Ob die gegen eine große Koalition gerichtete bundesweite "Tritt ein, sag Nein!"-Initiative der Jusos die Leute zwischen Icking und Lenggries auf die Beine gebracht hat? Aus Seidls und Werners Sicht spricht dagegen, dass es sich bei den Neuen keineswegs nur um Junge handle: "Es sind alle Altersschichten vertreten." Andererseits ist ein Plus von 35 für die hiesige SPD mit nichts zu vergleichen: Selbst beim "Schulz-Hype" im vergangenen Jahr seien gerade mal 20 neue Mitglieder angezogen worden, sagt Werner. Und in den sonstigen Jahren? Da hielten sich Zuwachs und Abgänge meist die Waage.

Seidel lässt sich den Spaß jedenfalls zurzeit nicht nehmen. Sie glaube nicht, dass die Leute alle nur einträten, um im Mitgliederentscheid gegen die Groko zu stimmen und dann wieder auszutreten.

Gegen diesen "Verdacht" spricht sich auch der ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD, Klaus Barthel aus Kochel am See, aus. Er finde die Juso-Aktion "völlig in Ordnung", das Gros der neu Eingetretenen werde bleiben. Barthel hatte auf dem SPD-Sonderparteitag im Januar gegen Verhandlungen über eine Groko gestimmt. Am Dienstag sagte er: "Jetzt warten wir erst einmal ab, was der Koalitionsvertrag bringt." Er sei mit dem Sondierungspapier unzufrieden gewesen, weil es "zu wenig SPD-Substanz" enthalten habe. Nun sei er vorsichtig mit einer Aussage, bevor er das Ergebnis kenne.

Wolfgang Werner hat seine grundsätzliche Skepsis nicht verloren. "Ich war nie ein Freund der großen Koalition", sagt er, "und bis jetzt hat sich meine Stimmungslage nicht geändert." In drei für ihn entscheidenden Punkten habe sich seine Partei nicht durchgesetzt: Bürgerversicherung ("Das war eine Bedingung auch auf dem Parteitag"), sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen und Familiennachzug Asylsuchender. Werner sagt, eine neuerliche große Koalition werde die SPD "nicht gerade nach vorne bringen". Andererseits findet er, Deutschland brauche endlich eine stabile Regierung. Er sehe das Land als "Bollwerk im Zentrum Europas", in dessen Osten sich Entdemokratisierung und Rechtsextremismus breit machten. Insofern gehe es um das Abwägen zwischen einer parteipolitischen und einer staatspolitischen Entscheidung.

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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