Leben im Denkmal:Das wird teuer

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Der Turm der Schnellrieder-Villa im Wolfratshauser Bergwald muss neu gedeckt werden. Doch das geht nicht einfach so

Von Wolfgang Schäl

Wenn wir das allein finanzieren müssen, sind wir pleite". Peter Opitz, emeritierter Politik-Professor an der Münchner Universität, ist ein ruhiger Mensch, der sich so schnell nicht in Panik versetzen lässt, schon gar nicht, wenn es um den Erhalt des Schnellrieder-Anwesens im Wolfratshauser Bergwald geht. Dazu haben er und seine Frau Heidrun in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit dem exponiert am Steilhang stehenden Gebäude einfach schon zu viel erlebt. Seit 1975 wohnt das Ehepaar hier, 1998 hat es das Anwesen, das architekturhistorisch unter dem Begriff "Heimatstil" firmiert, gekauft.

Von der Straße aus wirkt das Gebäude mit seinem eleganten Jugendstil-Fassadenelementen und seinem mittelalterlich anmutenden Eckturm wie ein verwunschenes Schlösschen. Just der 16 Meter hohe Turm aber ist es, der den beiden Bewohnern nun doch nachhaltig Kopfzerbrechen bereitet. Denn sein Dach ist im Lauf der Jahre undicht geworden und muss neu gedeckt werden. Das wäre grundsätzlich vielleicht kein großes Problem, stünde das 1903 von dem Wolfratshauser Schulmeister Josef Schnellrieder in Eigenregie geplante und gebaute Haus nicht unter Denkmalschutz. Und der verbietet es, einfach mal schnell die Handwerker zu bestellen.

Die Denkmalbehörde im Landratsamt hat ein höchst wachsames Auge darauf, wenn es um bauliche Veränderungen geht, und das findet die Familie Opitz grundsätzlich auch in Ordnung, wenngleich sie erst zufällig aus der Zeitung erfahren hat, dass das Haus unter Denkmalschutz gestellt wurde. Weniger angetan sind die Eigentümer allerdings davon, dass sie für den Erhalt dieses alten und wertvollen Stückes Wolfratshauser Stadtgeschichte weitgehend allein aufkommen müssen. Denn der Denkmalschutz in Bayern ist grundsätzlich zwar sorgsam und anspruchsvoll, freigiebig aber ist er nicht. Auf mindestens 50 000 Euro taxiert Peter Opitz die anstehende Dachsanierung, wenngleich ein verbindlicher Kostenvoranschlag noch nicht auf dem Tisch liegt. Zu prüfen sei, ob nicht auch der Dachstuhl marode ist. "Wir haben keine Ahnung, wie es da aussieht und was da auf uns zukommt. Seit 1903 war niemand mehr da oben". Ob überhaupt und wie viel Zuschüsse der Freistaat zur Dachsanierung beiträgt, ist völlig offen. Peter Opitz macht sich aber keine großen Hoffnungen. Für ihn steh fest: "Es wird teuer."

Kostspielig wird es nicht zum ersten Mal, denn investiert hat das Ehepaar in den vergangenen Jahren schon viel Geld und jede Menge Arbeit. Als es das Anwesen von Agathe Schwarzenbeck, einer der drei Töchter Schnellrieders, gekauft hatte, musste es von Grund auf saniert werden. Tragende Teile des Fachwerks galt es zu ersetzen, ja ganz neu zu schnitzen, Stromleitungen zu erneuern, Fenster abzudichten und feuchte, vom Schimmel bedrohte Wände trocken zu legen. Denn aufgrund seiner extremen Hanglage ist das Haus immer von Erdrutschen und herabstürzendem Wasser bedroht. Jedes Jahr wieder gab es neue, wenig angenehme Überraschungen, die Arbeit hat nie aufgehört, ebenso wenig der Kostenaufwand. "Das verschlingt alles ein Schweinegeld", sagt Heidrun Opitz. Mittel vom Denkmalschutz habe man, abgesehen von befristeten steuerlichen Vergünstigungen, bisher nicht bekommen, auch keinen Ausgleich für die hohen Heizkosten, die entstehen, weil das Gebäude nicht mit Dämmstoffen verkleidet werden darf.

Bis Mitte 2018 soll die Sanierung in Angriff genommen werden, derzeit überlegt die Familie Opitz, ob sie für die Dachabdeckung Biberschwänze aus Tonmaterial oder aus Kupferblech einsetzen soll, das wesentlich leichter und vermutlich ebenso haltbar wäre. Wie das Dach nun saniert wird und welche Kosten anfallen, hängt letztlich von der Denkmalbehörde ab. Ein Rechtsanspruch auf Zuschüsse besteht trotzdem nicht, "die Entscheidung erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen", heißt es in den Richtlinien des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Das Ermessen wiederum richtet sich nach der Zahl der vorliegenden Anträge, der Dringlichkeit sowie nach den verfügbaren und mithin immer unzureichenden staatlichen Mitteln. Bezahlt werden, wenn überhaupt, nur Festbeträge, unabhängig davon, ob bei Sanierungsarbeiten unvorhergesehene Komplikationen auftreten. "Das ist das Dilemma", sagt Peter Opitz, "der Denkmalschutz bestimmt, und die Kosten werden auf den Privateigentümer abgeschoben".

Dass die Zuschusstöpfe fast leer sind, bestätigt Kreisheimatpflegerin Maria Mannes. Vom Landkreis her gebe es keinerlei finanzielle Unterstützung mehr für private Denkmaleigentümer, auch die sonstigen staatlichen Zuschüsse seien im Zuge der Sparpolitik der Ära Stoiber fast völlig gestrichen worden, sie seien "nahezu auf Null". Über erwähnenswerte Mittel verfüge derzeit nur noch der Bezirk Oberbayern. Somit bleibe letztlich nur die auf zehn Jahre gewährte steuerliche Vergünstigung auf Sanierungskosten. Die Freude an der Bergwaldvilla lässt sich der tatkräftige und handwerklich versierte 80-Jährige gleichwohl nicht verderben. "Ich liebe das Haus", sagt der pensionierte Dozent. "Es ist ein Stück Kultur. Und ich habe immer was Sinnvolles zu tun."

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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