Larizell-Festival in Dietramszell:"Die Kinder werden nicht depperter"

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Als kleiner Troll Wurliz ist es Matthias Brandstäters Mission, Geschichten von der Natur zu erzählen - auch wenn seinen jungen Gästen das Zuhören immer schwerer fällt

Interview von Stephanie Schwaderer

Matthias Brandstäter ist Wurliz, der kleine Troll. Beim Larizell-Festival in Dietramszell wird der gebürtige Wolfratshauser am Samstag, 12. Oktober mit seinen Gästen den Herbst feiern - erst bei Liedern und Geschichten in einem alten Obstgarten, dann bei einer Suppe am Lagerfeuer.

SZ: Herr Brandstäter, Sie spielen beim Larizell-Festival wieder auf dem Jasberg ...

Matthias Brandstäter: Der Jasberg! Kennen Sie den? Dort ist es so schön! Ein riesengroßer Bauernhof oben auf der Bergkuppe, alles ein bisschen verwurschtelt, aber wunderbar. Die Schweine sind draußen auf der Wiese und die Kühe, dazu Scharen von Enten und Gänsen.

Da gefällt es dem Troll?

Und wie. Bevor es losgeht, streife ich immer erst noch ein bisschen durchs Gelände und schau mich um.

Im Troll-Kostüm?

Nein, in Menschen-Verkleidung. Die ziehe ich erst zwanzig Minuten vor meinem Auftritt aus. Und dann bin ich echt.

Wann haben Sie gemerkt, dass ein Troll in Ihnen steckt?

Die Kinderprogramme gibt es seit 2002. Aber der Troll war schon früher da. Ich bin in Bairawies aufgewachsen, auf der einen Seite die Isar, auf der anderen das Moor. Da war es nicht weit zu dem Gedanken, dass die Natur beseelt ist, dass es unsichtbare Wesen gibt. "Das große Buch der Heinzelmännchen" gehörte zu meinen Lieblingsbüchern, darin kamen auch Trolle vor. Später habe ich Malerei studiert und nebenbei Kabarett für Erwachsene gemacht, Rockkabarett mit Dr. Fasinger, das war eine skurrile Bühnen-Show. Da hatte ich dann plötzlich das Lied "Jawoll, ich bin ein Troll" im Kopf. Das hab ich ins Programm eingeflochten, was schon grenzwertig war. Manche Leute sind in der Pause gegangen, andere fanden es gut. Volker Witte, der damalige Wirt des "Korkenziehers" in Geretsried, hat gesagt: "Mach doch mal was für Kinder."

Und Sie haben auf ihn gehört?

Ein anderer Wirt in Schliersee hat genau dasselbe gesagt und mir gleich einen Termin gesetzt. Ich hatte noch einen Pelz daheim von einem Theaterstück, in dem ich den Deifi gespielt hatte. Ja, und dann war er da, der Troll, und hat den Nagel auf den Kopf getroffen.

Die Kinder mochten ihn?

Nicht nur die Kinder. Die Kindergärten haben mich eingeladen, und vom Ministerium hab ich gleich einen Zuschuss bekommen. Damals sind gerade die Gameboys aufgekommen, alle Kinder starrten plötzlich in diese schwarzen Kästen. Meine Devise hieß: "Weg von der Glotze, rauf auf die Bäume!" Das kam an. Noch im ersten Jahr hatte ich 120, 130 Auftritte.

Mittlerweile verdienen Sie Ihr Geld vor allem als Kunsterzieher an einem Miesbacher Gymnasium. Wie viel Zeit bleibt Ihnen für die Bühne?

Etwa 50, 60 Auftritte pro Jahr. Ich habe mir immer den Freitag freigehalten, damit ich in Schulen und Kindergärten spielen kann. Das ist mir wichtig.

Nach vielen Hundert Auftritten - macht das noch Spaß?

Grundsätzlich ja. Im Sommer habe ich meine sechste CD herausgebracht mit vielen neuen Liedern und Themen, die mich umtreiben. Es geht um die Bienen, um das Artensterben, die Verödung der Landschaft. Ich sehe mich als Dichter, als Geschichtenerzähler. Aber mein Stammpublikum ist zwischen drei und sieben Jahre alt. Da muss ich entsprechende Abstriche machen. Es gibt Auftritte, da habe ich den Eindruck, es ist völlig wurscht, was ich erzähle, jetzt geht es nur noch um Bespaßung.

Haben sich die Kinder in den vergangenen Jahren verändert?

Das fragen wir uns im Lehrerkollegium immer wieder. In manchen fünften Klassen grassiert die Respektlosigkeit. Aber schon im nächsten Jahr bekommt man sehr umgängliche Kinder. Ich kann nicht sagen, dass die Kinder immer depperter werden.

Und der Troll mit seinen Natur-Geschichten kommt immer noch gut an?

Die Kinder sind begeistert! Aber tendenziell lauter und aufgedrehter als früher, viele können die Aufmerksamkeit nicht halten. Oder sie überschlagen sich vor Begeisterung und rücken mir auf den Pelz. Das passiert häufiger in den Städten als auf dem Land. In den vielen kleinen Dörfern, die ich immer wieder besuche, können die Kinder noch richtig gut zuhören und sind ganz konzentriert bei der Sache.

Wie reagieren Sie, wenn Kinder ihre eigene kleine Show starten?

Darin habe ich mittlerweile viel Übung. Man lebt mit Störung - als Lehrer und Troll. Manchmal reicht es, einem einzelnen Kind etwas ins Ohr zu flüstern. Aber wenn es 30 Grad hat und ich zum krönenden Abschluss eines Sommerfests spielen soll, bei dem eigentlich alle durch sind, dann ist nicht mehr viel zu machen. Dann bin ich nur noch der Animateur.

Was hilft immer?

Die Kinder ins Programm einbinden. Ich sage zum Beispiel: "Oh, ich hab meinen Text vergessen, bitte helft mir, das Wort zu finden!" Oder ich lasse sie einen Hirschkampf machen, ein Spektakel, bei dem sie dem Troll etwas zeigen können. Diese Teile sollten das Salz in der Suppe sein. Die Texte sind die Substanz.

Sie spielen zum vierten Mal beim Larizell-Festival. Müssen Sie überhaupt noch Werbung machen?

Oh ja, immer. Die Kinder wachsen ja raus. Unlängst ist zu einem Auftritt in Neufahrn ein 17-Jähriger mit seiner Mama gekommen. Er wollte noch einmal den Troll sehen, hat er gesagt. Aber so etwas ist die Ausnahme. Die meisten Kinder hören die CDs irgendwann nur noch heimlich an.

Aber bald könnten ja die Kinder der Kinder kommen?

Die zweite Generation, ja, die werde ich noch abwarten. Das zieh ich durch!

Wurliz der Troll, Samstag, 12. Oktober, 16 Uhr, Jasberg bei Dietramszell, Kinder 5 Euro, Erwachsene 8 Euro, Familien 20 Euro; alle Infos zum Festival-Programm unter www.larizell.de

© SZ vom 10.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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