Landtagswahl im Landkreis:Für mehr direkte Mitsprache

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Die Direktkandidatin der AfD, Anne Cyron, im Porträt

Von Alexandra Vecchiato

Sie sei eine Aristotelikerin, sagt Anne Cyron, Jahrgang 1955, von sich. Manchmal auch eine Kantianerin. In höchsten Tönen spricht sie über das Konzept der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard. Cyrons politische Heimat liegt jedoch jenseits von CDU und CSU. Die promovierte Philosophin ist Vorsitzende im AfD-Kreisverband Oberbayern Süd und kandidiert für die Partei für den Landtag. Ihr Ziel ist es, die direkte Demokratie nach dem Vorbild der Schweiz im Freistaat Bayern zu etablieren und die "Alleinherrschaft" der CSU zu brechen.

Die bayerische Verfassung gebe es her, dass die Bürger mehr direktes Mitspracherecht bekommen könnten. Derzeit seien die wahlberechtigten Bayern nur noch Stimmvieh. Dies müsse sich ändern, sagt Cyron. Das sei ihr Antrieb, sich in der AfD zu engagieren. Das war nicht immer so. Cyron saß für die ÖDP im Rosenheimer Stadtrat. Mit einigen Themen der Gruppierung wie Umwelt und Familie könne sie sich nach wie vor identifizieren. Aber die ÖDP werde immer eine kleine Partei bleiben, sie indes wolle etwas mit der AfD bewegen.

Die 63-jährige Anne Cyron ist promovierte Philosophin. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Cyron nennt als drängende Punkte Infrastrukturprobleme. Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen seien dies der Bau des Wanktunnels, in Bad Tölz die Realisierung der Nordumfahrung, die längst schon hätte gebaut werden sollen. Dass Infrastruktur nicht auf der Agenda der AfD zu finden sei, gibt Cyron zu. "Zumindest nicht im Detail." Daran mag es liegen, dass sie im Gespräch über die S-Bahn-Verlängerung nach Geretsried einiges verwechselt. Sie würde das Projekt mutiger denken, sagt Cyron, und die "S 8 auch nach Icking und Lenggries" verlängern. Aber man müsse der AfD zugute halten, dass sie eine recht junge Partei sei ohne Regierungsverantwortung. "Wir haben kein perfektes Programm", sagt sie, um kurze Zeit später zu erklären, die AfD in Bayern habe natürlich Konzepte. "Wenn wir in die Regierung kommen, haben wir auch Antworten." Auch der Wohnraummangel müsse behoben werden. Kommunale Bauprojekte sollten durch den Freistaat ebenso gefördert werden wie der soziale Wohnungsbau. Bei diesem Thema schlägt die Politikerin die Brücke zu Ludwig Erhard. Unternehmer müssten dazu verpflichtet werden, für ihre Beschäftigten besser zu sorgen. "Warum nicht einen Werkswohnungsbau wie früher", betont Cyron.

Trotzdem all dies den Bürgern auf den Nägeln brenne, sei ein Thema beherrschend. Das habe sie an den vielen Infoständen und Stammtischen erfahren. Man könne 20 Themen ansprechen, zum Schluss drehe sich alles um Asyl und Zuwanderung. Cyron spricht von der "Angst vor Überfremdung". Auf Nachfrage liefert sie folgende Definition des Begriffs: Überfremdung sei "ein zunehmender fremder und überhand gewinnender Einfluss auf meine Kultur", also auf ihre Lebensweise, Philosophie, Dichtung, Sprache und Musik. Sie sei ein "Angriff auf meine Identität".

SZ-Grafik (Foto: N/A)

Rechtslastig sei die Partei ihrer Ansicht nach nicht, so Cyron. Man habe sich hinreichend von Pegida und den Identitären distanziert - "nicht erst seit Chemnitz". Die AfD sei "unheimlich restriktiv" bei der Aufnahme von Mitgliedern. Wer im Internet Hassparolen verbreite, werde ausgeschlossen oder erst gar nicht aufgenommen, sagt Cyron. Dass AfD-Mann Björn Höcke sich rechtsnationaler Rhetorik bedient, kommentiert Cyron so: "Da wird vieles aus dem Kontext gerissen." Das gelte auch für Äußerungen anderer AfD-Politiker wie Gauland, Meuthen oder Weidel. Höcke sei zudem nicht einer von den ganz Schlimmen, sondern bloß "rhetorisch ungeschickt". Im Übrigen könne ihre Partei nichts dafür, wenn Pegida-Chef Lutz Bachmann sich in Chemnitz einfach mit aufs Podium stelle.

Dass Cyron gegen die gleichgeschlechtliche Ehe sei, sei eine Unterstellung. Mit diesem Lebensmodell habe sie keine Probleme. Aber Kinder bräuchten Vater und Mutter. "Der Vater gibt Identität. Die Mutter sorgt mit Empathie für Ausgleich. Man muss der Natur nicht ins Handwerk pfuschen." Cyron hadert auch mit "gender mainstreaming" - etwas, was für sie schwierig zu begreifen sei. Propagiert würde dies von Frauen, die nie in einer Ehe gelebt, geschweige denn Kinder geboren und erzogen hätten, sagt die 63-Jährige. Die Geschlechter seien determiniert, dass lerne jeder Gymnasiast im Bio-Unterricht. In der AfD fühle sie sich "relativ wohl", sagt die Lehrerin für Geschichte und Sozialkunde. Der Staat müsse für die Bürger da sein. "Durch Polarisierung schaffen wir das nicht."

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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