Laienbühne Icking:Huren, Schwule und andere Außenseiter

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Die Laienbühne Icking inszeniert mit starken Charakteren eindrucksvoll "Jagdszenen aus Niederbayern".

Barbara Szymanski

Die Bühne ist karg, die Charaktere sind stark. Deswegen schmerzt es besonders zu sehen, was Menschen Menschen antun. Wie sie sich verletzen, ihre Kinder quälen, verleugnen, verspotten, ausgrenzen. Und wie eine niederbayerische Dorfgemeinschaft in scheinheiliger Einigkeit eine Hetzjagd anzettelt: Der Zweite Weltkrieg ist aus, eine neue Zeit bricht an. Alte Werte zählen nicht mehr.

Irschenhausen, Laienbühne Icking e.V. zeigt das Stück: ' Jagdszenen in Niederbayern' / v.li.: Tonka und Volker / Foto: = Hartmut Pöstges = (Foto: region.wor)

Da kommen neue Feindbilder ganz gelegen: Schwule, Frauen, die ihren eigenen Weg gehen wollen, Individualisten, Spinner, Flüchtlinge und sogar behinderte Menschen. Gründe können auch die Erkenntnis sein, Fehler in der Erziehung gemacht, den falschen Mann geheiratet zu haben oder irgendwie sonst überfordert zu sein. Es ist ein tiefgründiger Stoff, den sich die Laienbühne Icking und ihr theaterbesessener Regisseur Stefan Mayer-Voigt vorgenommen haben: "Jagdszenen in Niederbayern" von Martin Sperr aus dem Jahr 1966. Am Samstag spielte das Ensemble ambitionierter Freizeitmimen zum zweiten Mal. Die nächste Vorstellung ist am Sonntag um die gleiche Zeit im Theaterzelt am Stockerweiher in Irschenhausen.

Das Stück, das auch mit bekannten Schauspielern wie Angela Winkler und Hanna Schygulla verfilmt wurde, hat Sperr nicht mit längeren Akten, sondern mit 17 kürzeren Bildern geschrieben. Bei den Ickingern werden die Pausen zwischen den Bildern gefüllt, und zwar mit alpenländischen Weisen - frisch und munter aufgespielt von der Irschenhauser Blaskapelle.

Das entspannt, befriedet. Denn wenn selbst die Mütter versagen, wenn ihnen das Ansehen in der Gesellschaft wichtiger ist als ihr eigen Fleisch und Blut, dann gerät die Welt aus den Fugen. Die Männer in diesem Stück sind bis auf den Totengräber Knocherl (Merlin Bauer) oder den höhnischen, selbstgerechten Zoten verschleudernden Knecht - sehr gut dargestellt von Boris Fittkau - allesamt Problemfälle, manche Versager, der Kirchenmann (Bernd Schilling) unverbindlich, weltfremd.

Die Frauen sind stark in diesem Stück. Doch ihre Kraft verwenden sie nicht, den Frieden nach dem Grauen des Zweiten Weltkriegs ins Dorf zu bringen, sondern neue Fronten zu eröffnen. Und das zu ihrem eigenen Vorteil, moralisierend und bösartig blasen sie zur Hetzjagd, die schrecklich endet.

Tina Lakner spielt die Mutter des schwulen Abram (Chris Römer) genauso eindringlich wie Christine Noisser die verbitterte Metzgerswitwe. Ein ums andere Mal hält der Zuschauer den Atem an, mag nicht glauben, was er da hört. Da sagt die Mutter zu ihrem schwulen Sohn, er habe kein Recht zum Bleiben, ja zum Leben, wenn er gegen die Natur lebe. Oder wenn die einander nicht grünen Dörfler plötzlich den Schulterschluss üben, wenn es um die "Hur" (Juli Rabe als Dienstmagd Tonka) oder die anderen Außenseiter geht.

Die Darsteller lassen sich Zeit bei den Bildern. Zeit, die Ungeheuerlichkeiten zu verdauen und einzuordnen. Doch immer wieder blitzt Situationskomik durch. Auch diese wird gut herausgespielt von starken Schauspielcharakteren auf einer grauen, kargen Bühne.

"Jagdszenen in Niederbayern" von der Laienbühne Icking, Samstag und Sonntag sowie Mittwoch, 21., und Freitag, 23. Juli, jeweils 20 Uhr im Theaterzelt am Stockerweiher, Irschenhausen.

© SZ vom 17.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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