Wolfratshausen:Kommerzmeile statt Kunstmeile

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Die "Kunstmeile fünf" leidet am selben Übel wie zuvor die Kunstmeilen vier, drei, zwei und eins: An einer Missachtung der Kunst.

Kommentar von Stephanie Schwaderer

Die "Kommerzmeile fünf" war ein Erfolg und dauerte genau eine Shopping-Nacht lang. Die "Kunstmeile fünf" leidet am selben Übel wie zuvor die Kunstmeilen vier, drei, zwei und eins: An einer Missachtung der Kunst. Dass zuletzt nicht einmal mehr die Veranstalter vom Verein Lebendige Altstadt Wolfratshausen (LAW) wussten, wie viele "Künstler" sich nun genau beteiligen - 95, 96, gar schon hundert - ist nicht etwa ein Beweis für den vermeintlichen Erfolg der Aktion, sondern genau das Gegenteil: Es offenbart die absolute Beliebigkeit der Veranstaltung.

Anders gesagt: Die Teilnahme an einer Kunstmeile macht sich in einer Künstler-Vita etwa genauso gut wie der Verweis eines Leistungssportlers darauf, dass er schon einmal bei den Bundesjugendspielen angetreten ist, oder der eines Schauspielers, dass er bei einem Flashmob mitgewirkt hat. Verständlich, dass sich streitbare Künstler wie Gabriele Hüttl von der Veranstaltung distanzieren. Das heißt natürlich nicht, dass alle Exponate schlecht wären. Was aber fehlt, ist die Struktur, ein ordnender Gedanke, eine Vision. Die Lenggrieser haben es mit ihrer "Still-leben-Schau" eben wieder vorgemacht. Das Wolfratshauser Konzept "Jeder, der will, stellt aus, was er will", ist kein schlechtes Konzept, es ist das Gegenteil eines Konzepts.

Nichts gegen eine Einkaufsnacht. Ärgerlich ist, dass sie im Namen der Kunst veranstaltet wird, weil damit ein weit verbreitetes Klischee weiter bestärkt wird: Dass Kunst alles ist, was irgendjemand gemalt oder gebastelt hat, mal getüpfelter, mal gestreifter Wandschmuck, der im Idealfall mit der Nachtwäsche harmoniert. Das ist traurig. Fast schon lustig hingegen ist der Umgang mit dem zerstörten "Oktaeder" am Loisachufer. Die Organisatoren haben das Werk zum "Mahnmal" erklärt und fordern auf einem Pamphlet mehr "Achtung vor dem Schönen und Edlen". Dieses Pamphlet auf die zerstörte Skulptur zu tackern - das hätten die Leute von der Heute-Show nicht besser hinbekommen.

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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