Kommentar zur CSU:Eine Partei namens Müller

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Bei der Jahreshauptversammlung in Geretsried schweigt die Basis. Leider kein neuer Eindruck in der Landkreis-Politik

Von Felicitas Amler

Die Geretsrieder CSU hat abgedankt. Sie will offenbar gar nicht Politik machen. Keine Anregungen, keine Vorschläge, schon gar kein Antrag, auch keine Kritik, ja, nicht mal ein nachfragendes Wort. Jene, die in einer Demokratie die Initiatoren und Antreiber dessen sein sollten, was die Amtsträger umsetzen - die Leute an der Basis - schweigen einfach. Die Jahreshauptversammlung einer Partei ist gewöhnlich die Gelegenheit für politischen Austausch über Stammtischrunden hinaus: mit Anträgen, Beschlüssen, Perspektiven, Programmarbeit. Beim "Parteitag" der Geretsrieder CSU waren die einzigen, die sich überhaupt inhaltlich äußerten, die Mandatsträger - der Sprecher der Stadtratsfraktion, der Erste und der Dritte Bürgermeister. Allerdings ohne Folgen für die politische Arbeit an diesem Abend.

All das ist in der hiesigen Parteienlandschaft kein neuer Eindruck, sondern das reinste Déjà-vu. War's nicht voriges und vorvoriges Mal bei der SPD ganz genauso? Gibt es Lokalpolitiker, die kontinuierlich und öffentlichkeitswirksam Themen anstoßen? Die ungefragt Stellung nehmen zu aktuellen, womöglich brisanten Fragen? Kürzlich antwortete ein Grüner auf die Kritik, seine Partei äußere sich nicht zum Wolf, es gebe genug zu tun neben Beruf und Familie, und fragte eher rhetorisch, ob man denn gleich eine Pressemitteilung schreiben müsse. Man muss gar nichts, aber wenn man Politik machen möchte, wäre es doch gut, sich nicht nur in den sozialen Medien zu artikulieren.

Politik wird in Geretsried aktuell sehr wohl gemacht. Allerdings ist es der Bürgermeister, der den Kurs bestimmt. Und seine Partei steht offenkundig ganz im Bann ihres zielstrebigen, vom ersten Amtstag an methodisch zu Werke gehenden ersten Mannes. Müller gibt die Richtung vor, die anderen begleiten ihn, wo immer er hin will. Man sei jetzt "Bürgermeisterpartei", merkte Gerhard Meinl an. Sehr richtig. Und es macht erkennbar alle stolz, dass der Mann seinen eigenen Kopf hat, dass er einen, so Meinl, "Paradigmenwechsel" in Geretsried herbeigeführt hat.

Bemerkenswert ist, dass Müller bei aller Kritik, die er wegen seiner umwälzenden Pläne für ein neues Zentrum erfährt, weithin Respekt und Anerkennung genießt. Das ist das eigentliche Lehrstück für (s)eine Partei: Wer wirklich etwas will in der Politik, wer es mit großer Überzeugung angeht und unbeirrt vertritt, der macht Eindruck. Gerade weil so eine Haltung so selten ist.

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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