Kommentar zum Fußgängerleitsystem:Nur Puzzleteile, aber kein Bild

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Hui! Die Stadt gibt bei der Imagepflege Gas? Doch so neu ist das alles nicht

Von Claudia Koestler

Vor nicht allzu langer Zeit ließ sich der Flugkapitän einer kleinen Privatmaschine, gerade in Königsdorf gelandet, dazu hinreißen, die Passagiere zu bitten, "die Uhren um 20 Jahre zurückzustellen". Das war natürlich ein Scherz, aber trotzdem gemein und vor allem entbehrte es jeder Grundlage. Dennoch halten sich die Klischees vom hinterwäldlerisch bajuwarischen Land, und man will gar nicht wissen, wie jener weit gereiste Kapitän erst vom Leder gezogen hätte, hätte er seine Maschine in Wolfratshausen gelandet.

Die Flößerstadt wurde ja in der Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein nicht müde zu betonen, dass ihre guten Seiten viel zu wenig in den Fokus gerückt werden und dadurch weitgehend unbekannt seien. An Initiativen, gegenzusteuern, mangelt es nicht: Mit großem Tschingderassabum wurde erst der Bergwaldlehrpfad, dann die Stadtspaziergänge und die München-Venedig-Radweg-Beschilderungen, kurz darauf frei zugängliches W-Lan in der Innenstadt und jüngst nun auch noch ein Fußgängerleitsystem vorgestellt. Hui! Die Stadt gibt bei der Imagepflege Gas? Gedacht ist das sicherlich so. Man könnte jubeln, wenn, ja wenn man nur nicht nachdenken würde und merkt, dass das alles so neu nicht ist, sondern auch noch etwas Entscheidendes fehlt. Ein Bogen nämlich, eine Verzahnung der einzelnen Maßnahmen für Synergieeffekte und zeitgemäßem Mehrwert. So fehlt es den neuen Schildern zum Beispiel an der Möglichkeit, sich - per Wolfratshausens freiem W-Lan etwa - über die jeweilige Attraktion gleich mobil am Smartphone zu informieren. Und unterschiedliche Farben für Attraktionshinweise auf den Schildern und Stadtspaziergänge auf den Karten verwirren, statt zu locken. Stadtmarketing ist mehr als die Summe seiner Teile. Und mit jedem Puzzleteil kommt es darauf an, dass Wolfratshausen die Chance wirklich nutzt, die Nase einmal vorne zu haben statt hinterherzuhinken.

© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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