Kommentar:Vision oder Utopie?

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Ob alle schönen Ideen für das große Wohngebiet an der Banater Straße realisiert werden können, ist offen

Von Felicitas Amler

Da möchte mancher vielleicht auf der Stelle einziehen: Wer Korbinian Krämmel mit seiner Vision der neuen Großsiedlung in Geretsried gehört hat, könnte davon träumen. Großzügige Wohnungen, flexibel und bezahlbar, in einer parkähnlichen grünen Anlage mit reichlich Platz für Kinder und Alte, einem Blockheizkraftwerk und vielerlei anderen ökologisch, kulturell und sozial attraktiven Einrichtungen: Café, Bäckerei, Quartierstreff, Packstation, Radwerkstatt, Carsharing, E-Bikes und Lastenräder zum Ausleihen, ja, sogar eine Kulturecke, eine kleine Bühne, Platz für Kunst und Lesungen, Begegnung, Integration ...

Krämmels Haus hat offenkundig sehr intensiv nicht nur an den Bauplänen für das Vorzeigeprojekt Banater Straße gearbeitet. Zusammen mit einem Beirat, in dem VdK und Caritas mitreden konnten, sind Ideen entwickelt worden, die das Zusammensein unter 1500 Menschen lebenswert machen sollen. Krämmel junior nennt das die "Qualitätsbausteine". Wer bei einer Siedlung mit rund 800 Wohnungen in bis zu achtgeschossigen Häusern, die teils mit genauso hohen Glaswänden als Lärmschutz verbunden sind, Assoziationen von Klein-Neuperlach hatte, mag beruhigt sein: Ein Ghetto soll dieses neue Quartier mit Eigentums-, Miet- und Sozialwohnungen nicht werden. Respekt für alle Überlegungen, die deswegen angestellt wurden. Krämmel und das Architekturbüro Kehrbaum feilen seit drei Jahren an den Entwürfen.

Dennoch gibt es Grund zur Skepsis. Die angebotene Lösung der Verkehrsprobleme scheint keineswegs der große Wurf zu sein. Nicht für Autofahrer und schon gar nicht für Fußgänger und Radler. Und schließlich: die Zeit. Das Bauvorhaben ist auf fünf bis sieben Jahre angelegt. SPD-Stadtrat Walter Büttner warnte, und sowohl Krämmel als auch Bürgermeister Müller gaben ihm recht: Da könne sich auf dem Wohnungs- wie auf dem Geldmarkt manches dramatisch verändern. Was, wenn das Quartier dann Stückwerk bleibe? "Gar nicht abwegig", sagte Müller - siehe Johannisplatz, im Hoch der Sechziger begonnen, durch die Krise der Siebziger teils gestoppt. Krämmel nannte den Einwand "sehr berechtigt". Und bot als Antwort: schnell vorwärtskommen. Nach so langer Zeit der Vorbereitung sicher kein unbilliger Wunsch. Ob aber wirklich alle sozialen, kulturellen und ökologischen Ideen am Ende realisiert werden, steht längst noch nicht fest.

© SZ vom 06.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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