Es ist alles andere als ein Vergnügen, nach einer Nacht mit zweistelligen Minus-Temperaturen auf dem Bahnsteig zu stehen und frierend auf den Zug zu warten. Aber mitten im Winter ist das eben so. Unerfreulich wird die Herumsteherei für Berufspendler und Schüler, wenn sie vergebens ist, weil es zum Beispiel eine technische Panne gab. Und noch ärgerlicher erscheint das Ganze, wenn der Grund dafür ein Streik ist, von dem sie gar nichts wissen - weil er gerade mal neun Stunden vor dem offiziellen Beginn bekanntgegeben wurde. Für sie muss es wie Hohn klingen, wenn die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) erklärt, der Warnstreik bei der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) solle den Arbeitgeber treffen, "und nicht die Kunden".
Im Kern geht es darum, dass Lokführer für Gastfahrten voll und nicht bloß halb bezahlt werden - dann also, wenn sie von ihrem Wohnort nicht zum üblichen Dienstsitz, sondern zu einem anderen Bahnhof fahren müssen, um von einem Kollegen einen Zug zu übernehmen. Die BOB bietet die volle Bezahlung erst nächstes Jahr an, die Gewerkschaft will sie sofort. Es ist das gute Recht der EVG, ihre Mitglieder deshalb zu einem Ausstand aufzurufen. Und es ist auch ihr gutes Recht, den Streik nicht schon eine Woche vorher mit dem genauen Datum anzukündigen, damit sich der Arbeitgeber darauf einstellen und ihn mehr oder weniger verpuffen lassen kann. Ebenso wäre es aber gerade bei einem Verkehrsunternehmen die Pflicht der Gewerkschaft, ihn doch so rechtzeitig bekannt zu geben, dass sich die Kunden noch eine Alternative suchen können, um anderweitig zur Arbeit oder in die Schule zu kommen. Neun Nachtstunden zwischen Bekanntgabe und Streikbeginn sind dafür auch in Smartphone-Zeiten viel zu wenig. Die Dummen bei diesem BOB-Streik sind nicht die Arbeitgeber, nicht die Lokführer. Es sind die Fahrgäste.