Kommentar:Mitte nach Maß statt Mittelmaß

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Das Geretsrieder Stadtzentrum wird entwickelt. Wie - das müsste man den Bürgern jetzt einmal anschaulich zeigen

Von Felicitas Amler

Es ist allerhöchste Zeit für eine öffentliche Veranstaltung zum Karl-Lederer-Platz. Unter den Bürgern kursieren so viele Befürchtungen, Gerüchte und (falsche) Szenarien, dass es schon jetzt schwer wird, sie durch Informationen auszuräumen. Die besonders gute Resonanz auf das sonst eher mau besuchte monatliche SPD-Stadtgespräch am Sonntag hat das deutlich gezeigt. Das Thema "Neugestaltung des Karl-Lederer-Platzes" bewegt die Geretsrieder. Zwar wird seit mehr als einem Jahr im Rathaus, beim Investor und beim Architekten an dem neuen Stadtzentrum geplant, es wird im Stadtrat diskutiert und in der Lokalpresse berichtet; zu Beginn hat auch eine Bürgerwerkstatt zum Thema stattgefunden. Doch was vielen Geretsriedern offenbar fehlt, ist eine anschauliche Darstellung dessen, was realisiert werden soll. Es reicht eben nicht, dass der Bürgermeister ein ums andere Mal erklärt, man müsse sich von den alten Sichtweisen der Fünfziger- und Sechzigerjahre verabschieden und neue Blickwinkel wagen. Man muss diese Blickwinkel sichtbar machen. Nicht jeder Laie verfügt über das räumliche Vorstellungsvermögen eines guten Architekten.

Wenn man hört, wie sorgenvoll unter manchen Geretsriedern über ein siebengeschossiges Gebäude am Rande des Platzes gesprochen wird, könnte man meinen, in der Stadt drohe sich die Sonne für immer zu verdunkeln. Tatsächlich aber könnte ein Haus dieser Höhe mit dazu beitragen, der Geretsrieder Mitte genau das Gesicht zu geben, das einer 24 000-Einwohner-Stadt längst angemessen wäre. Architekt Klaus Kehrbaum bringt es auf die Formel: "Von der Siedlungsstruktur zur Stadtentwicklung." Wenn man dies plastisch sichtbar machte, könnte man durchaus an das Selbstbewusstsein der Geretsrieder rühren: Immerhin sind sie die Bürger der größten Stadt im Landkreis. Wenn diese Stadt sich jetzt auch als solche präsentiert - mit einem dezidiert urban bebauten, lebendigen und leistungsfähigen Zentrum -, könnte manch herablassender Blick aus anderen historisch so stolz gewachsenen Orten sich in einen neidvollen verwandeln. Eine Stadtentwicklung in diesem Sinne sollte man den Geretsriedern jetzt einmal vor Augen führen.

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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