Kommentar:Lähmendes Korsett

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Die Mitglieder im Verein "Oberland plastikfrei" packen die Probleme an der Wurzel. Auch an Energie und Tatendrang fehlt es keinem. Das Problem sind die vorhandenen Vereinsstrukturen. Wie ein Korsett scheint die anfallende Arbeit den - ausschließlich ehrenamtlichen - Helfern die Luft zum Atmen zu nehmen

Von David Holzapfel

Weniger Kunststoff verwenden. Diesen Vorsatz hatten vermutlich viele, die im Fernsehen vor Kurzem die Bilder eines an der indonesischen Küste angeschwemmten Pottwals gesehen haben. Mit insgesamt sechs Kilogramm Plastik im Bauch ist das Tier langsam und qualvoll verendet. Genauso schnell wie der Aufschrei und die Forderung vieler, man müsse doch endlich etwas gegen diese Plastik-Plage unternehmen, wird das Thema aber vermutlich bei ebenso vielen wieder in Vergessenheit geraten.

Umso wichtiger ist es, dass es Menschen wie die Mitglieder des Fördervereins "Oberland plastikfrei" in Bad Tölz gibt. Sie engagieren sich unabhängig von Ereignissen in den Medien, leben bewusst und verzichten weitgehend auf Kunststoff. Umso trauriger ist es, dass der Förderverein nach nicht einmal zweijährigem Bestehen zum wiederholten Mal an der Komplettauflösung vorbeigeschrammt ist.

Dabei sind die aus dem Verein hervorgehenden Ideen und Projekte nicht nur gut, sondern vor allem effektiv. Informationsabende, Workshops für einen Alltag ohne Plastik und Schulveranstaltungen: Die Mitglieder packen die Probleme an der Wurzel. Auch an Energie und Tatendrang fehlt es keinem. Das Problem sind die vorhandenen Vereinsstrukturen. Wie ein Korsett scheint die anfallende Arbeit den - ausschließlich ehrenamtlichen - Helfern die Luft zum Atmen zu nehmen. Es ist kein Zufall, dass in nicht einmal zwei Jahren mehr als sechs Vorstandsmitglieder ihr Handtuch geworfen haben. Was dann bleibt ist Frust. Und der schadet dem großen Tatendrang der Plastikgegner. Die chaotischen Vorstandswahlen am Mittwoch lassen tief blicken. Struktur und Organisation sind beim Verein quasi nicht vorhanden. In seinem jetzigen Zustand ist der Förderverein eher Stolperstein als Sprungbrett für nachhaltige Ideen. Der neue Vorstand hat das erkannt und will das ändern. Er vermittelt jedenfalls den Eindruck, als hätte er ein klar definiertes Ziel vor Augen - und die nötige Erfahrung, dieses Ziel auch zu verwirklichen. Der Natur im Oberland und allen Beteiligten wäre es zu wünschen.

© SZ vom 23.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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