Kommentar:Klare Linie - auch für die Kunst

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Geretsried gestaltet sein Rathaus neu - eine gute Gelegenheit für Veränderungen

Von Felicitas Amler

Wie wunderbar: Alles muss raus! Das Geretsrieder Rathaus wird leer geräumt, weil ein Aufzug eingebaut, das Gebäude barrierefrei und optimal gegen Brände geschützt werden soll. Das ist nicht nur zeitgemäß und notwendig. Sondern auch eine riesige Chance. Das Rathaus, das im Innern die plüschige Optik eines übermöblierten Wohnzimmers hat, kann endlich eine attraktive, moderne, offene Adresse werden. Die drei öffentlich zugänglichen Geschosse des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der NS-Rüstungsbetriebe sind über die Jahrzehnte einfach vollgestopft worden. Mit Pflanzen und Skulpturen und Urkunden und hier noch einem Erinnerungsstück und dort ... Und zwischen all dem wurden gelegentlich auch noch Ausstellungen präsentiert. Ein absolut unangemessener Umgang mit Kunst, die sich hier nicht entfalten konnte.

Das kann jetzt besser werden. Architekt Klaus Kehrbaum will eine klare Linie ins Rathaus bringen, eine einheitliche Optik, die das neue Image der Stadt Geretsried widerspiegelt, das sie sich gerade auf dem Karl-Lederer-Platz zu geben versucht: urban, modern, weltoffen. Dann könnte endlich Platz für Kunst sein, für deren Präsentation Geretsried - noch? - keinen eigenen Raum hat. Spätestens dann allerdings wird die Stadt auch in ihre Ausstellungs- und Ankaufspolitik eine klare Linie bringen müssen.

Bürgermeister Michael Müller kauft seit seinem Amtsantritt emsig Kunst für die Stadt an, die eines Tages in einer Rathausgalerie und auf einer Skulpturenmeile gezeigt werden kann. Das ist klasse und im weiten kommunalen Umkreis einzigartig. Aber ohne erkennbare Kriterien. Mal ein Holzpferd von Hans Neumann, mal eine Bronze von Otto Süßbauer, mal ein ganzer Schwung von Hans Kastler. Alles schön und gut. Nur: Warum nicht auch ein Werk von Ruth Kohler oder Günter Fürst - zwei der bedeutendsten Künstler im Landkreis? Warum keines von Sabrina Hohmann oder Herbert Nauderer - zwei der eigenwilligsten und modernsten Künstler hier? Warum ..

.? In der Lokalpolitik werden immerzu Experten zu Rate gezogen. Keiner würde ohne Gutachten über die Statik einer Brücke entscheiden, über den Verkehrsfluss oder das Grundwasser. Kunst und Kultur brauchen die Expertise genauso. Wenn Geretsried sich jetzt daran macht, der Kunst im und eines Tages rund ums Rathaus angemessen Raum zu geben, ist es höchste Zeit für fachkundige Beratung. Auch das ist Stadtentwicklung.

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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