Kommentar:Humaner Ungehorsam

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Als Akt zivilen Widerstands gegen die Behörden mag das Kirchenasyl für zwei Kurden in Lenggries überraschen, als Ausdruck gelebter Nächstenliebe nicht. Im Landkreis haben sich die Stärkeren schließlich auch schon vor der so genannten Flüchtlingskrise für die Schwächeren eingesetzt

Von Felicitas Amler

Kirchenasyl passe zu seiner auch sonst lebendigen, aktiven, engagierten Gemeinde, findet der Pfarrer der Lenggrieser Waldkirche. Und es passt in diesen Landkreis, möchte man ergänzen. Nicht etwa, weil die Menschen hier für ihre Neigung zu zivilem Ungehorsam bekannt wären. Das sind sie wohl eher nicht. Aber schon vor der sogenannten Flüchtlingskrise - und durch diese wahrlich oft schwierige Situation hindurch - hat es hier unglaublich viele Freiwillige gegeben, die Asylsuchende mit offenen Armen und Herzen aufgenommen haben. Es herrscht seit der Ankunft der ersten Flüchtlinge in Bad Heilbrunn im Dezember 2011 in allen Gemeinden ein Klima der - keineswegs nur christlich begründeten - Nächstenliebe, weltlich gesprochen: der Solidarität der Stärkeren mit den Schwächeren.

So stößt nun auch die evangelische Waldkirche in Lenggries auf Zustimmung, Zuspruch und Hilfsbereitschaft. Pfarrer Stefan Huber berichtet, dass nach dem Gottesdienst am Sonntag, in dem er das Kirchenasyl öffentlich bekannt gab, etliche Menschen ihre Unterstützung anboten: Leute, die ein Möbelstück abzugeben haben oder mit Handwerkerkönnen dienen möchten. Tatsächlich kann die Waldkirche Hilfe brauchen: Sie muss die seit Jahren unbenutzten und daher unbrauchbaren sanitären Anlagen in der Wohnung, die den beiden jungen Kurden Obhut gibt, instand setzen lassen. Das kostet eine vierstellige Summe. Zusätzlich zu der Versorgung der Asylsuchenden, die ebenfalls aus der Kirchenkasse finanziert wird. In ein Körbchen, das nach dem Gottesdienst herumgereicht wurde, haben die Gläubigen spontan 190 Euro gelegt. Man könnte sich durchaus vorstellen, dass die andere - größere - Christengemeinde am Ort und die politische Kommune ebenfalls ihr Scherflein beitragen. Ganz informell natürlich. Als stillen Akt ziviler und christlicher Solidarität.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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