Kommentar:Heiter an der Realität vorbei

Es ist schön, dass eine Ausstellung über das Altern lebenslustige Gesichter zeigt. Aber das reicht nicht

Von David Costanzo

Die Alten von heute sind jung - und die Jungen manchmal älter, als ihnen lieb ist. Darum ist es schön und gut, wenn eine Ausstellung die lebenslustigen und heiteren Gesichter der aktiven Senioren, Best Ager und Silver Surfer zeigt, wie die älteren Internet-Nutzer in Anspielung auf ihre silbergrauen Haare genannt werden. Viel zu oft sehen sich die Älteren nämlich unter Druck gesetzt von Jugendwahn und Leistungsgesellschaft.

Doch die Realität malt ihre Bilder nicht mit Weichzeichner und in warmen Wohlfühl-Farben: Die Menschen leben immer länger und bald wird eine Mehrheit der Bevölkerung aus älteren Bürgern bestehen. Das stellt alle gemeinsam vor einen ganzen Katalog von Zukunftsfragen, von denen nicht eine auch nur annähernd gelöst ist. Wie sollen die Kranken, Alten und Pflegebedürftigen von Morgen umsorgt werden? Das ist nicht nur eine Kostenfrage: Wo sollen überhaupt die Pfleger herkommen? Müssen in Zukunft die Familien und die tatkräftigen Gleichaltrigen stärker in die Pflicht genommen werden?

Wo und wie sollen die Senioren wohnen? Es werden Tausende barrierefreie und kleine Apartments nötig sein, die ein Leben in Gemeinschaft ermöglichen. Und günstig müssen sie sein, denn die Altersarmut vor allem der Frauen ohne eigene Rentenansprüche wird viele in ein Leben auf Stütze zwingen. Es lohnt sich, immer wieder darüber nachzudenken. Und wenn eine Ausstellung übers Altern ohne diese nicht ganz so schönen Ausblicke auskommt, wird eine Chance vertan. Die Alten hätten es verdient - die von heute und die von morgen.

© SZ vom 17.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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