Kommentar:Grundversorgung reicht nicht

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Dass die Tafel einen Aufnahmestopp erlässt, macht ein grundsätzliches Problem deutlich

Von Felicitas Amler

Es ist mit den Tafeln wie mit der Wohnungsnot: Durch die Flüchtlingskrise wird ein eklatantes Defizit in diesem Land offenkundig, das bislang nur zu gern übersehen wurde. Seit die Kommunen sich mit der Aufgabe konfrontiert sehen, Wohnraum für Asylsuchende - und nach und nach auch für Asylberechtigte - vorzuhalten, wird endlich wieder von Wohnbauförderung gesprochen. Fortschrittliche Kommunen wie Geretsried bemühen sich jetzt sogar, beispielhafte sozialgerechte Wohnbaumodelle zu realisieren. Und die werden allen zugutekommen, die vom Markt ausgeschlossen sind, ob einheimisch oder eingewandert.

Nun stoßen auch die Tafeln an ihre Grenzen. In Lenggries ist bereits ein Aufnahmestopp in Kraft, für Wolfratshausen steht er bevor. Weil das, was vom Überfluss der Wegwerfgesellschaft an den Tafeln anlandet, nicht mehr ausreicht, um alle armen Menschen zu unterstützen. Erst durch diese vermeintliche Schlappe der Tafeln aber werden wir wieder darauf aufmerksam, was hier eigentlich seit vielen Jahren geschieht. Ehrenamtliche nehmen dem Gemeinwesen Staat eine seiner obersten Pflichten ab: So zu wirtschaften, dass niemand Hunger leiden muss. Denn die Grundversorgung dieser Solidargemeinschaft für alle, die nicht arbeiten können oder zu wenig verdienen - Hartz IV - reicht oft einfach nicht aus, um einem Menschen sein täglich Brot zu sichern. Der Skandal ist, dass dieser Skandal kaum noch jemanden aufregt. Längst haben wir uns alle in der Gewissheit eingerichtet, dass es eine große Zahl unermüdlicher, gut organisierter, total belastbarer Ehrenamtlicher gibt, die das System aufrechterhalten. Das geht jetzt, da so viele Menschen hier Zuflucht suchen, nicht mehr. Ob die Politik auch auf dieses Warnzeichen reagiert, ist noch nicht abzusehen.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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