Kommentar:Gefühlte Wahrheiten

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Die Meinungen zur Bebauung am Karl-Lederer-Platz in Geretsried sind arg festgefahren

Von Felicitas Amler

Wer weiß - vielleicht verrennt man sich selbst gelegentlich so und merkt es gar nicht? Manche Gegner des großen Wurfs für den Karl-Lederer-Platz jedenfalls haben sich ordentlich verlaufen. Nicht, dass sie Befürchtungen, ja, Ängste haben, ist das Problem. Das kann man durchaus verstehen. Mit Wasser im Keller etwa haben die Gartenberger leidvolle Erfahrungen, und nun soll eine raumgreifende Tiefgarage unter den Karl-Lederer-Platz und Teile der Egerlandstraße gelegt werden - darüber muss man natürlich sprechen. Auch dass eine so riesige und langfristige Baustelle Anwohner und Geschäftsleute in Sorge versetzt, ist verständlich.

Was die Auseinandersetzung mit den aufgebrachten Gegnern des Bauvorhabens so schwierig macht, ist vielmehr eben dies: dass sie so aufgebracht sind. Viele Gespräche am Samstag beim "Faktencheck" der Stadt und bei der Demo am Platz haben das gezeigt. Da wird dem Stadtrat "kollektiver Wahnsinn" vorgeworfen, als handle es sich bei den Lokalpolitikern um eine Bande ausgebüxter Irrer. Da wird behauptet: Ja, es gibt Gutachten - "aber die liest ja keiner". Es werden Unterschriften gesammelt unter einen Satz ("Auch ich bin gegen das geplante Bauvorhaben am Karl-Lederer-Platz"), den die auf demselben Blatt namentlich genannte Initiatorin tags darauf gar nicht im Wortlaut zu kennen behauptet. Es wird von "Betrug" gesprochen, weil das Stadtmodell nicht den Ist-, sondern den Kann-Zustand zeigt. Wie überhaupt bei allem, was Stadt, Bauherr oder Architekt tun, unterstellt wird, es sei eine fiese, arglistige Täuschung. Am Tag der Berichterstattung werfen empörte Anrufer der Zeitung insistierend vor, sie habe einen guten Demo-Redner komplett verschwiegen ("Nein, das steht nirgends") obwohl ihm ein ganzer Absatz gewidmet war ("Wo soll das denn stehen?"). Andere sagen, im Bericht seien den protestierenden Anwohnern Aussagen untergeschoben worden, die diese nie gemacht hätten; auf Nachfrage findet sich die inkriminierte Stelle aber nicht - denn es gibt sie nicht.

Mit anderen Worten: Die Leute glauben, was sie glauben wollen; sie fühlen sich grundsätzlich übergangen und ausgetrickst; sie lesen, worüber sie sich gern aufregen würden. Weil sie festgefahren sind in dieser Aufgeregtheit. Man möchte sich das Bürgerbegehren geradezu wünschen, das seit der Demo erwogen wird. Denn dann müsste endlich nüchterne Klarheit in die Äußerungen kommen.

© SZ vom 07.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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