Immer weniger Geburtsabteilungen:Etwas läuft fürchterlich falsch

Nicht nur Hebammen schlagen wegen der Schließung von Kreißsälen Alarm. Der Mangel bei der Geburtshilfe ist ein Fall für die Bundespolitik.

Von Ingrid Hügenell

Wäre die Sache ein paar Wochen später passiert und die Tölzer Geburtsstation hätte schon geschlossen gehabt: Die werdende Mutter, bei der plötzlich heftige Blutungen auftraten, hätte die rettende Klinik womöglich zu spät erreicht. Wahrscheinlich, so sind die Hebammen überzeugt, wäre ihr Kind gestorben, womöglich auch sie selbst. Es ist ein Vorfall, der deutlich zeigt, dass etwas falsch läuft in Deutschland. Die Politik bemüht sich seit Jahren, die Menschen in Deutschland zum Kinderkriegen zu bewegen. Das ist inzwischen zumindest im Großraum München gelungen. Doch nun haben schwangere Frauen Schwierigkeiten, einen Ort zu finden, an dem sie sicher und ohne Stress entbinden können. Kliniken müssen Frauen mit Wehen abweisen. Denn überall in Deutschland schließen Kreißsäle. Das ist eine absurde Situation, eine skandalöse Entwicklung, unter der die Schwächsten leiden.

Die Politiker vor Ort können höchstens versuchen, Löcher zu stopfen, die auf höherer Ebene aufgerissen wurden. Der Wolfratshauser Bürgermeister hat deshalb recht, wenn er fordert, sich an die Bundespolitik zu wenden. Die Hebammen prangern die Entwicklung seit vielen Jahren an, wurden bisher aber allein gelassen. Alle müssen mithelfen und laut protestieren, damit Frauen und ihre Babys rund um die Geburt gut versorgt werden, auch im Notfall. Denn in einer reichen Gesellschaft, in der das nicht möglich ist, läuft etwas entsetzlich falsch.

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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