Kommentar:Die Bürger müssen abwägen

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Der Bürgerentscheid gibt den Benediktbeurern die Möglichkeit, Prioritäten zu setzen, die sonst der Politik vorbehalten sind. Sie sollten sich nun fragen, in welchem Dorf sie leben wollen

Von Konstantin Kaip

Der Sänger Georg Ringsgwandl hat die forschreitende Versiegelung der oberbayerischen Landschaft in seinem Lied "Dorf" polemisch auf den Punkt gebracht: "Isar, Woid und Weiher - na, des brauch ma ned. Was wir dringend brauchen, ist ein Gewerbegebiet." Schließlich kämen die Touristen schon von Düsseldorf und Hamm. Und weil es ihnen so gut gefalle, wollten sie nicht mehr zurück. Der logische Schluss: "Hier ist es schön, hier bleiben wir, gegen sowas muasst di wehrn. Und darum, Herr Gemeinderat: Unser Dorf muss schiacha wern."

Benediktbeuern wird durch die Erweiterung des Gewerbegebiets natürlich nicht seine vielen Touristen verlieren. Dafür ist es einfach zu schön, und es hat das Kloster mit den Bergen dahinter. Von dem Wäldchen am Lainbach, das nun abgeholzt werden soll, wissen viele Gäste wohl auch nichts. Für die Einheimischen, die es kennen, wird der Ort allerdings etwas schiacha, wenn statt Bäumen am Bach Gewerbebauten stehen. Aber die bringen eben die Gewerbesteuern, und die sind der Gemeinde im Zweifel mehr Wert als Biotopkorridor und Hochwasserschutz.

Das Bürgerbegehren, mit dem der Wald gerettet werden soll, ist daher gut. Es gibt die sonst der Politik überlassene Abwägung in die Hände der Bürger: Wie viel ist mir die Landschaft wert? Dabei müssen sich die Benediktbeurer aber auch fragen, was sie von ihrem Dorf wollen. Denn klar ist: Ohne Gewerbe geht es nicht. Wer also die Landschaft erhalten will, muss auch Unternehmen, Handwerkern und Supermärkten mitten im Ort einen Platz einräumen, nicht nur am Rand. Und tagsüber auch Lieferverkehr und Maschinengeräusche dulden. In die Abwägung gehört also auch die störungsfreie Ruhe, die so manche Dorfbewohner für ihr unantastbares Recht halten.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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