Kommentar:Die Alarmglocken schrillen nicht

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Tierschützer wollen den Kühen ihr Geläut verbieten. Was für ein Schmarrn

Von Klaus Schieder

Seit Wissenschaftler der Universität ETH Zürich vor zwei Monaten ihre Studie über die gesundheitlichen Folgen von Kuhglocken auf ihre vierbeinigen Träger veröffentlicht haben, tobt in den sozialen Netzwerken der Schweiz ein heftiger Streit zwischen Glocken-Gegnern und Glocken-Befürwortern. Ach du heiliger Bimbam, möchte man dazwischenfragen, gibt es in der glücklichen Eidgenossenschaft keine drängenderen Probleme? Aber ganz so simpel ist es nicht. Wenn Rinder durch das kiloschwere Geläut wirklich einen Schallpegel von 100 Dezibel ertragen müssen und sich kaum noch bewegen, ist dies Tierquälerei - jahrhundertealtes Brauchtum hin oder her. Dann muss das Gebimmel schleunigst abgestellt und etwa durch GPS-Sender ersetzt werden.

Die Realität sieht in den bayerischen Bergen allerdings anders aus. Auf den Almen tragen die Kühe - anders als beim Almabtrieb oder vielleicht zu Kirchweih - tagein tagaus nur leichte Glocken, die wohl kaum ihr Gehör schädigen oder sie in ihrer Bewegung einschränken dürften. Für den Almbauern ist ein solcher Halsschmuck unverzichtbar, denn oben in den Bergen hat sich seit Jahrhunderten eines nicht geändert: Um die Tiere auf den welligen, unüberschaubaren Weiden finden, braucht es dieses Geläut ganz einfach. Und nicht etwa zur Unterhaltung der Touristen, die das ach so bayrisch finden mögen. GPS-Sender können zwar technisch eine Alternative sein, kosten jedoch eine ordentliche Stange Geld für die Landwirte, die finanziell ohnehin zu kämpfen haben. 1950 arbeiteten nach Zahlen des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern noch 1135 Leute auf den Almen, im vorigen Jahr waren es nur mehr 350. Die Bewirtschaftung der Bergwiesen ist aber außerordentlich wichtig für den Erhalt der Kulturlandschaft. Den Almbauern sollte man deshalb lediglich dann die Alarmglocken läuten, wenn sie nachweislich Schaden für die Tiere verursachen. Sonst ist das, gut boarisch, ein Schmarrn.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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