Kommentar:Am besten dort

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Die ehemalige Landwirtschftsschule erweist sich als Glücksfall für Wolfratshausen

Von Matthias Köpf

Der staatlich verordnete Umzug ihrer Landwirtschaftsschule nach Holzkirchen erschien vielen alteingesessenen Wolfratshausern als neueste Demütigung in einer langen Reihe, die spätestens mit dem Verlust des eigenen Landkreises im Jahr 1972 begonnen hat. Doch die Stadt verharrt in diesem Fall nicht mehr in jener Mischung aus Trotz und Beleidigtsein, wie sie für Wolfratshausen in der Vergangenheit oft nicht ganz untypisch war. Sie nimmt ihren Mut zusammen und Geld in die Hand, um den ganzen Komplex in der Bahnhofstraße zu kaufen und etwas daraus zu machen. Angesichts all der Pläne, die sich inzwischen zu einem Gesamtbild verdichten, deutet sich ein Ergebnis schon an: Am Ende wird der Umzug der Landwirtschaftsschule für die Stadt ein Glücksfall gewesen sein.

Denn natürlich wird es die Landwirtschaft geben, solange Menschen etwas zu essen brauchen. Genau deswegen wird sie sogar immer wichtiger werden, doch für eine Stadt wie Wolfratshausen gehört die Landwirtschaft mitsamt ihren zweifellos guten und wichtigen Ausbildungsstätten schon lange nicht mehr zur eigenen Identität. Das mögen manche bedauern, vor allem im ländlich geprägten "Altlandkreis" rund um die Stadt, der auch das wesentliche Einzugsgebiet der Schule gewesen ist. Ändern wird sich daran auf absehbare Zeit aber nichts mehr. Stattdessen braucht Wolfratshausen, das trotz aller notorischen Selbstzweifel eine prosperierende Stadt ist, dringend Raum für mehr Kinderbetreuung, für Kultur, für Bildung, für soziale Einrichtungen und für Menschen, die hier Zuflucht suchen und sie auch finden sollen. Und sie braucht sehr dringend Raum für ihre eigene Vergangenheit in Form des Stadtarchivs. All das könnte sich zentrumsnah in der Bahnhofstraße zu einem Ensemble fügen, das sehr viel mehr Ausstrahlung hat als die alte Landwirtschaftsschule, die in den vergangenen Jahren ja auch dem Freistaat allenfalls ein ungeliebtes Stiefkind gewesen ist.

Dass all das nicht umsonst zu haben ist, darf niemanden wundern. Doch 1,25 Millionen für die noch kreiseigene Hälfte des Komplexes sind nicht zu viel verlangt, auch wenn es dort noch einiges zu sanieren gibt. Die Stadt muss nicht unbedingt alles selbst machen und kann zudem auf laufende Einnahmen hoffen, mit denen sich die ohnehin gerade recht günstigen Kredite abbezahlen ließen. Und das viele Geld für ihr Archiv und für eine neue Kindertagesstätte muss sie ohnehin ausgeben. Am besten dort.

© SZ vom 14.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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