Königsdorf:Kreischendes Wiehern und viele "Hmm"

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Ursula Sauer betreibt eine Alpaka-Zucht in Königsdorf. Die Tierärztin hat ihren Klinikjob für ein Leben in der Idylle aufgegeben. Sie denkt nicht an Urlaub, sondern an Ausbau.

Von Barbara Szymanski

Ursula und Michael Sauer haben kürzlich auf ihrem Anwesen geheiratet - in Gesellschaft von 23 Alpakas, den Hühnern, Kühen, Katzen und fünf Hunden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ursula Sauer hat sich verliebt. So gründlich, dass die promovierte Tierärztin eine womöglich aussichtsreiche Karriere und ein sicheres Einkommen aufgegeben und auch der Großstadt München den Rücken gekehrt hat. Sie ist aufs Land gezogen und wohnt nun offenbar am Ende der Welt. Das Anwesen, wo sie und ihr Mann Michael jetzt leben, ist für Auswärtige schwer zu finden: am südlichen Ende des Königsdorfer Ortsteils Schwaighofen mit einer Aussicht auf die Voralpenkette mit sanften Hügeln davor, mit weidenden Kühen und bunten Hühnern. Die Maler des Blauen Reiters hätten bei diesem Motiv augenblicklich die Pinsel gezückt. Nur die grasenden Alpakas passen nicht so ganz ins Bild.

Sie recken immer wieder ihre schlanken, eleganten Hälse auf einer großen Weide vor den Bergen. Die Fohlen toben, und die jungen Hengste und Stuten kommunizieren mit einem Geräusch, das sich fast menschlich anhört - wie Hmm oder Humm oder Hemm. Ursula Sauer hat sich in sie verliebt, wie sie lächelnd gesteht. In diesen Ton, eine Art lautes Summen, in das seidenweiche Fell in herbstlichen Farben, in die sanften großen Augen. Ursula Sauer liebt die friedvolle Natur und die Menschenbezogenheit dieser Kamelien aus den südamerikanischen Anden.

Kürzlich hat sie ihren Michael geheiratet, mit einer Feier auf dem Hof mitsamt ihren Tieren. Mit 23 Alpakas, den Hühnern, Kühen, Katzen und den fünf Hunden mit ihrer traurigen Vita in Heimen in Ungarn. Das Anwesen und die Tiere binden die Sauers. An Urlaub ist nicht zu denken. Man fragt sich als Zuschauer auch, wozu. Es gibt wohl kaum Stellen auf der Erde, an denen mehr Ruhe und Frieden herrscht. Zuhause ist es am schönsten. Schließlich leben sie in einer Traumkulisse.

Zwischendurch durchbricht ein kreischendes Wiehern die Beschaulichkeit. Die geschlechtsreifen Hengste tragen einmal mehr einen Rangordnungskampf aus. Doch es fließt kein Blut. Die sogenannten Hengstzähne sind abgeschliffen. Es bleibt bei Wiehern, Verfolgungsjagden und Ausschlagen mit den Hinterläufen. Auch das tut nicht weh, die Hufe sind nicht besonders hart und vor allem an den Ballen weich. Michael Sauer führt ein besonders aufgedrehtes Tier in ein Separee. Der Hengst schnauft, rollt mit den Augen. Seine Kontrahenten recken die Hälse. Nun kehrt wieder Ruhe ein, die Sauers nehmen wieder Platz auf der Holzbank vor dem großen alten Bauernensemble unter den Glyzinien.

"Alpakas sind nicht so leicht zu halten wie Pferde oder Rinder. Bei falscher Haltung, Ernährung oder Medikamentierung sterben sie", sagt Ursula Sauer. "Ohne Einführungskurs geben wir sie nicht ab." Ursula Sauer züchtet die Tiere für den Verkauf und natürlich der zarten Wolle wegen, die es in wundervollen Naturtönen gibt, von Weiß über Grau, in vielen Brauntönen bis hin zu tiefem Schwarz.

Ursula Sauer war Ärztin an einer großen Münchner Tierklinik, mit Alpakas hatte sie nie etwas zu tun. Ihre Erfahrungen hat sie selbst zusammengetragen. Sie erzählt, dass zu viele Kohlehydrate den Tieren sehr schaden, sie können nach zu viel Essen sogar eingehen. Alpakas können nicht zusammen mit Kühen auf einer Weide leben - wegen der Parasiten im Kot. Pferde und Esel sind als Weidegefährten erlaubt, auch Hühner und Gänse. Die Tiere zertreten die Weiden nicht und suchen sich bestimmte Stellen, um ihren Kot abzulassen, damit sie sich nicht infizieren. Eine weitere Besonderheit: Man kann kein einzelnes Alpaka halten. Die Andentiere sind sozial und können nur in kleinen oder größeren Verbänden leben.

Wieder gerät Bewegung in die Idylle. Die Herde eilt rasch Richtung Stall. Da passiert gerade etwas: Ein Schreiner werkelt an einer Rampe am Stalleingang, unter der Rampe steht eine Waage. Ursula Sauer lächelt, ist entzückt über die Neugier ihrer Alpakas. "Das Wiegen ist wichtig, weil Krankheiten und Gewichtsabnahme wegen des dicken Fells nicht zu sehen sind", sagt sie. Man kann die Tiere nicht mal einfach so wiegen. "Sie lassen sich nicht gerne berühren." Es dauert recht lange, bis die Stuten die hölzerne Rampe betreten.

Man kann Alpakas an der Leine führen, "stundenlang und viel braver als ein Hund". Deshalb seien sie so beliebt als Trekking-Begleiter. Alpakas flüchten auch nicht vor fremden Menschen. Im Gegenteil, ihre Neugier obsiegt stets. Einige Benimmregeln sollten Fremde allerdings beachten, wenn sie mit ihnen in Kontakt treten: nicht sollten sie nicht streicheln oder knuddeln, sondern sich auf den Boden setzen oder knien. Dann kommen die Tiere, stupsen mit ihren Samtnasen oder streichen mit ihren langen Hälsen über den Kopf. Ein wundervolles Gefühl vor erhebender Kulisse.

Und noch etwas: Handaufgezogene Alpakas zeigen Fehlverhalten in Bezug auf Menschen. Sie behandeln sie dann als Herdenmitglied - mit für Menschen eher unangenehmen Folgen wie Rangordnungsmaßnahmen mit Spucken oder Treten. Aber fühlen sich die Tiere aus den Anden im Oberland überhaupt wohl? Ursula Sauer ist davon überzeugt. Alpakas lieben Schnee. Kälte macht den Gebirgstieren nichts aus. Nur bei großer Hitze oder Dauerregen ziehen sie sich in den schützenden Stall zurück. Sauers Herdentiere kommen teilweise direkt aus Chile, teilweise auch von Züchtern. Nicht in Südamerika, sondern in der Schweiz sind die besten Züchter. Auch Ursula Sauer möchte führend werden, was Zucht betrifft, in der Wolleerzeugung, sie möchte ihre Tiere auf Trekking-Touren schicken oder in der Therapie einsetzen. "Alpakas gehen sehr sensibel um mit Kindern oder behinderten Menschen", erzählt Sauer. Sie geht davon aus, dass sie weitere Ställe bauen wird, dass ihre Herde größer wird. An Urlaub wird auch dann nicht zu denken sein.

© SZ vom 22.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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