Klettern im Landkreis:Mann oder Memme? - "Beides"

Lesezeit: 3 min

Thomas Heßlinger richtet Kletterrouten ein - und benötigt dafür Bohrmaschine und Zahnbürsten.

Isabel Meixner

Als Thomas Heßlinger (45) vor 24 Jahren seine erste Klettertour einrichtete, bohrte er mit der Hand eine halbe Stunde lang pro Loch. Mittlerweile greift er nicht nur zur Bohrmaschine, um die Zwischensicherungen für das Seil zu installieren, sondern auch zu Gartenkralle und Zahnbürste, um den Felsen zu säubern. Vor zwölf Jahren machte der Tölzer sein Hobby zu seinem Beruf. Zahlreiche Kletterrouten im Landkreis gehen auf sein Konto.

Abseiler: Seit 24 Jahren richtet Thomas Heßlinger Kletterrouten ein. Inzwischen nimmt er die Bohrmaschine zu Hilfe. Und manchmal eine Zahnbürste. (Foto: Manfred Neubauer)

SZ: Sie klettern seit mehr als 25 Jahren. Wie sind Sie dazu gekommen, Kletterrouten einzurichten?

Thomas Heßlinger: Ich habe in Kochel angefangen zu klettern, als gerade gebohrt wurde. Ich habe dort dann ein paar Touren eingerichtet. Zu dem Zeitpunkt gab es etwa zehn bis 20 Touren, heute sind es 500 in verschiedenen Schwierigkeiten.

Wie gehen Sie beim Einrichten vor? Welche Felsen nehmen Sie?

Wenn ich von unten ein paar gute Griffe sehe, seile ich mich von oben ab, entferne Gras in den Ritzen, nehme lockere Felsen aus der Wand und schmeiße sie hinunter. Ich brauche einen Tag, um eine Seillänge zu putzen und zu klettern. Je besser die Tour gesäubert ist, desto besser ist sie später zu klettern. Es gibt Routennamen wie "Putzteufel" oder "Mit Hammer und Sichel" - da weiß man, woher der Name kommt.

Klettern Sie nicht von unten?

Das habe ich früher gemacht, aber das hat den Nachteil, dass man von unten nicht sieht, ob man ganz hochkommt oder ob zwischendurch eine Passage kommt, wo man zwei Meter keine Griffe hat. Außerdem bin ich ein paar Mal hinuntergeflogen, als ich von unten geklettert bin - mit der Bohrmaschine in der Hand.

Klingt wild. Haben Sie sich verletzt?

Nein. Das ist mir zwei oder drei Mal passiert, danach bin ich aufs Abseilen umgestiegen. Die Bohrmaschine wiegt ja fünf bis sechs Kilo, das ist eine g'scheide Maschine, mit der man zehn bis 15 Millimeter dicke Löcher bohren muss.

Haben Sie Angst, dass einer Ihrer Haken nicht hält?

Nein, weil ich weiß, wie ich ihn richtig setze. Man sollte sich seiner Verantwortung schon bewusst sein. Mich fragen immer wieder Leute, ob sie auch Routen einrichten können. Aber da muss Fachwissen dahinter sein, denn Haken, die einmal drin sind, werden nicht mehr überprüft - im Gegensatz zu denen in der Kletterhalle.

Klettern gilt als gefährlich.

Das Klettern an sich ist ein relativ sicherer Sport, wenn man ihn richtig betreibt. Die Verletzungsgefahr ist geringer als beim Fußball.

. . . die Folgen, wenn man abstürzt, dafür umso gravierender.

Das stimmt. Dennoch gibt es etwa beim Skifahren mehr Tote als beim Klettern.

Was sagt Ihre Familie zu Ihrem Beruf?

Die wissen, dass Klettern nicht nur mein Hobby ist, sondern mein Leben. Ich klettere seit mehr als 25 Jahren, reise durch die Weltgeschichte und lerne andere Ländern kennen, Marokko, Südafrika, Thailand, die Türkei . . . Ich trainiere auf schwierige Routen hin. Wenn ich dann hochkomme, ist das das Höchste. Klettern ist weit mehr als ein Sport.

Was macht den Reiz aus, eine Klettertour einzurichten?

Es gibt nur einmal die Möglichkeit, sie erstzubegehen. Das hat etwas, vor allem wenn man weiß, das ist an der Grenze des eigenen Könnens.

Diejenigen, die die Touren einrichten, dürfen ihnen auch Namen geben . . .

Eine am Roßstein heißt zum Beispiel "Mann oder Memme", da kann man zwei Varianten klettern: Entweder gerade aus, das ist die schwere, oder rechts herum, das ist die Memmenvariante. Eine andere Route heißt "Klimaschock", weil wir am Tag zuvor noch in der Türkei mit kurzer Hose geklettert sind und am nächsten Tag mit Mütze und Handschuh im Schneesturm am Roß- und Buchstein.

Sind Sie Mann oder Memme?

(lacht) Beides.

Klettern ist Breitensport geworden. Wie finden Sie das?

Gut. Vor ein paar Jahren hatte man Angst, dass alle Leute von der Kletterhalle nach draußen gehen. Das ist aber zum Glück nicht passiert. Klettern am Felsen ist etwas ganz anderes.

Sie klettern auf der ganzen Welt. Ist es Ihnen hier zu langweilig?

Jein. Bei uns ist es auch schön. Aber zum Beispiel in Griechenland kann man dermaßen abgefahren sportklettern. Auf der Insel Kalymnos haben die Bewohner lange mit ihrem "Steinhaufen" gehadert. Jetzt ist es ein Kletterparadies.

© SZ vom 07.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: