Klassik:Beschwingter Konzertauftakt

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Der Solist am Cello, Jens Peter Maintz aus Berlin, begeisterte das Publikum in der Wolfratshauser Loisachhalle. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Neue Philharmonie München überzeugt mit ihrer Programmwahl in der Wolfratshauser Loisachhalle.

Von Hans Hoche, Wolfratshausen

Es war ein melodisch leicht eingängiger Konzertauftakt in der Loisachhalle in Wolfratshausen. Vergangenen Freitag präsentierte dort die Neue Philharmonie München unter der Leitung von Simon Edelmann das neue Programm. Das Ensemble eröffnete den Abend mit der Ouvertüre zu Gioacchino Rossinis meistaufgeführter Oper "Der Barbier von Sevilla" und beendete ihn mit Ludwig van Beethovens vielgespielter Sinfonie Nr. 7 - schwungvoll, prägnant und irgendwie mitreißend und einem ausgesprochen tänzerisch daherkommenden Schluss, hell und lebensfroh mit der Sinfonie des sonst eher als ernst und melancholisch empfundenen Beethoven. Dazwischen eingebettet war Dimitri Schostakowitschs tiefgründiges Cellokonzert Nr. 1 mit dem Solisten, Professor Jens Peter Maintz. Was für ein emotionaler Kontrast.

Wenn Rossinis Ouvertüre im Konzertprogramm die Funktion des Vorglühens hatte oder die eines musikalischen Willkommensdrinks, so war das gelungen. Das ist ja schließlich auch die Funktion einer Ouvertüre. Sie wurde komponiert nach dem klassischen Rossini-Schema: Zunächst gibt es eine langsame Einleitung, dann das Allegro, wobei das erste Thema den Streichern und das zweite Thema Oboe, Klarinette und Horn anvertraut wird. Die Besonderheit der zweiten Hälfte ist das berühmte "Rossini-Crescendo", bei dem dieselbe Sequenz gespielt und dann zweimal wiederholt wird, wobei sich Lautstärke und Lebendigkeit im Verlauf der Sequenz aufregend steigern. Das haben die 40 jungen Musiker unter dem Dirigat von Maestro Edelmann jugendlich frisch herausgearbeitet und schwungvoll präsentiert. Rossini hätte das bestimmt gefallen.

Dass Beethoven nicht nur schrullig war, sondern auch Humor hatte, zeigt sich in seiner 7. Sinfonie. Richard Wagner nannte das Werk "Apotheose des Tanzes". Carl Maria von Weber meinte sogar, man solle Beethoven dafür ins Irrenhaus schicken. Ganz und gar nicht irre, dafür aber bewundernswert war das, was im Spiel des Orchesters der Neuen Philharmonie München herüberkam. Ob pulsierender, drauflosstürmender Rhythmus im ersten Satz, oder im zweiten Satz der dunkle, monoton-schreitende Rhythmus, der seine Spannung gerade aus der Gleichmäßigkeit gewinnt, oder das abrupte Ende des dritten Satzes mit fünf Orchesterschlägen "als höre man den Komponisten die Feder wegwerfen", oder sieben Minuten mitreißendes Vollgas im vierten Satz - das Orchester brachte es glanzvoll auf den Punkt.

Vierstimmiges Motto mit einem lebhaften Motiv

Die größte Herausforderung des Abends aber dürfte für Musiker und Publikum gleichermaßen Dimitri Schostakowitschs Cellokonzert gewesen sein. Es war auch der Höhepunkt. Er hat es 1959 komponiert und dem Ausnahme-Cellisten Mstislaw Rostropowitsch gewidmet, der in der Uraufführung auch den Solopart spielte. In diesem Werk verwendet Schostakowitsch ein kleines Orchester ohne Blechbläser, mit Ausnahme eines einzigen Horns, das prominente Soli erhält. Im Konzert wurde es von dem Portugiesen Pedro Rodrigues gespielt. Viele ausgedehnte Abschnitte des Konzerts, vor allem im langsamen Satz, sind in der Tat Kammermusik, bei der das Cello mit Horn, Klarinette oder Celesta zusammenspielt. Der erste Satz kontrastiert ein fragendes vierstimmiges Motto mit einem lebhaften Motiv, das aus einer zweimal wiederholten absteigenden Terz besteht, gefolgt von vier chromatisch absteigenden Noten. Das Solocello tauscht diese Themen mit dem gesamten Orchester und dem Waldhorn hin und her. So entsteht eine musikalische Beziehung zwischen Cello und Horn, die sich durch das ganze Stück hindurch fortsetzt, wobei das Horn an einen thematischen Punkt "erinnert", während der Solist zu einem Höhenflug der Variationen ansetzt.

Auch im zweiten Satz übernimmt das Horn zunächst die Führung, dann folgt das Solocello, das sich mit Streichern und Klarinette abwechselt. Nun wird es unruhiger, heftiger, fast quälend. Wieder erklingt die Anfangsmelodie, die vom gesamten Orchester fortissimo gespielt wird. Ein einzelner Paukenschlag markiert die Wende. Dann übernimmt das Solocello harmonisch die Führung, unterstützt von einer ätherischen Celesta. Ein sanfter Trommelwirbel leitet über in den dritten Satz mit der Bezeichnung "Cadenza". Diese auskomponierte Solokadenz bildet mit 148 Takten einen eigenen Satz. In ihm erklingt Material aus den beiden vorhergehenden Sätzen und im Vorgriff auch aus dem Finalsatz, quasi als Vorahnung auf das, was noch kommen wird. Die Stimmung im vierten Satz ist wieder einmal grimmig und frenetisch, verstärkt durch Pauken und schrille Bläser in hohen Lagen. Das Horn bringt das vierstimmige Motto aus dem ersten Satz zurück und das Eröffnungs- und das Finalthema greifen ineinander, womit sich der Kreis des Konzerts schließt. Dieses Werk erfordert in höchstem Maße technische Finesse und interpretatorisches Einfühlungsvermögen.

Ob lyrische Schönheit, energiegeladene Ausdruckskraft oder verhaltene Emotionen, Jens Peter Maintz' Solo war einfach brillant. Es ließ nur den einen Wunsch offen, nämlich ihn ein zweites Mal mit diesem Werk zu hören. Das begeisterte Publikum belohnte den Solisten mit langanhaltendem Applaus und mit Bravorufen, er belohnte das dankbare Publikum dafür mit einem Satz aus einer Bach-Suite als Zugabe.

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