Kaufkraft steigt:400 000 Euro mehr

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Landkreis profitiert von höherem Mindestlohn

Vom neuen Mindestlohn profitieren im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen 1630 Menschen. So viele Beschäftigte arbeiten laut der Gewerkschaft Nahrung-Genussmittel-Gastwirtschaft (NGG) derzeit im Landkreis zum gesetzlichen Lohn-Minimum. Zum neuen Jahr ist der Mindestlohn auf 9,19 Euro pro Stunde gestiegen. "Auch die Wirtschaft im Kreis profitiert", heißt es dazu in einer Mitteilung der Gewerkschaft. Für den Landkreis bringe die Erhöhung insgesamt 403 000 Euro Extra-Kaufkraft pro Jahr, teilt die NGG unter Berufung auf eine aktuelle Analyse des Pestel-Instituts aus Hannover mit, das die Auswirkungen der Mindestlohn-Entwicklung regional untersucht hat.

"Mal ins Kino oder Essen gehen. Und auch mal etwas Neues für den Haushalt anschaffen - fast jeder Euro, den Mindestlohn-Beschäftigte am Monatsende extra haben, fließt in den Konsum", erklärt Georg Schneider von der NGG-Region Rosenheim-Oberbayern. "Und einen Großteil davon geben sie vor Ort aus." Denn wer zum untersten Lohn arbeite, könne nichts auf die hohe Kante legen. Für den Gewerkschafter ist das gesetzliche Minimum aber auch nach der aktuellen Erhöhung zu niedrig: "Selbst für eine Vollzeitkraft ist es extrem schwer, mit dem Mindestlohn klarzukommen. Gerade dann, wenn auch noch Kinder im Haushalt leben", so Schneider. "Und bei steigenden Mieten sowieso." Die NGG fordere deshalb ein deutlich stärkeres Mindestlohn-Plus. Erst in einer Größenordnung von mehr als zwölf Euro pro Stunde werde die Lohnuntergrenze "langsam armutsfest".

NGG-Geschäftsführer Schneider sieht auch die Arbeitgeber in der Pflicht: "In Branchen wie dem Gastgewerbe und dem Bäckerhandwerk gehen trotz guter Wirtschaftslage selbst Fachkräfte oft nur mit dem gesetzlichen Minimum nach Hause." Messlatte sei aber nicht der Mindestlohn, sondern der Tariflohn. Schneider prangert die zunehmende Tarifflucht als Hauptgrund dafür an, "dass seit Jahren viel zu viele Menschen im Niedriglohnsektor gefangen sind" und fordert die Unternehmen auf, sich zu Tarifverträgen zu bekennen: "In den Tarifverträgen der NGG sind meist deutlich höhere Löhne, auch in den unteren Lohngruppen, vereinbart. Und wer nach Tarif zahlt, der hat auch zufriedenere Mitarbeiter, die sich im Job engagieren."

Schneider betont, dass von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns seit 2015 (mit zunächst 8,50 Euro pro Stunde) rund vier Millionen Menschen profitiert haben. Allerdings werde dieser gesetzliche Anspruch viel zu wenig kontrolliert, weil die Finanzkontrolle Schwarzarbeit nach wie vor nicht ausreichend personell ausgestattet sei. "Es gibt viel zu viele Schlupflöcher: Arbeitszeiten werden nicht korrekt erfasst oder Überstunden nicht bezahlt, um den Mindestlohn massenhaft zu umgehen. Das ist ein Skandal", kritisiert der Gewerkschafter und fordert die Beschäftigten auf, ihre Januar-Lohnabrechnung genau zu kontrollieren.

© SZ vom 15.01.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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