Irgendwas mit Medien geht auch auf dem Land:Mehr miteinander gschaffteln

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In Bad Tölz haben Henrik Heubl und Maxi Mayr einen sogenannten Coworking-Space eröffnet. Rund ein Jahr später fällt die Bilanz positiv aus - inzwischen liebäugeln auch weitere Kommunen mit solch offenen Bürogemeinschaften

Von Veronika Ellecosta, Bad Tölz/Wolfratshausen/Icking

Was macht die Jugend am Land mit dem Abi in der Tasche und der Zukunft vor Augen? Sie will Bildungsauszeit nehmen und die Welt bereisen, oder sich in einer großen Stadt niederlassen. Auf alle Fälle will sie der ländlichen Heimat erst mal den Rücken zukehren und Kosmopolitenluft schnuppern. Oder? Bei Henrik Heubl und Maxi Mayr ist das anders. Sie finden Tölz "super geil", schätzen die Jugendkultur und dass es "an nichts fehlt." Deshalb sind sie auch in Bad Tölz geblieben, am Land. Die Welt der Medien und Kreativen haben sie hierher geholt und einen sogenannten Coworking-Space, eine offene Bürogemeinschaft, ins Leben gerufen. "Gschafft" heißt diese und man findet sie in der Hindenburgstraße, in einer von Cafés und Läden umsäumten hippen Ecke. Der Laden bietet Selbständigen, Freelancern und Unternehmern einen Arbeitsplatz. 13 Euro kostet die Miete für einen Platz am Tag, 149 Euro ein Monat.

18 und 21 Jahre sind Maxi und Henrik jung, von ihren Stühlen im Coworking-Space aus haben sie ihr Start-up, die "Gschafft GbR" gegründet. Über das Start-up laufen alle Projekte der beiden Tölzer. Die App "Abicalc" etwa, wo Abiturienten ihren Abischnitt berechnen können. Henrik war außerdem Instagramberater, Maxi entwickelte Webseiten für Kunden in ganz Deutschland. Diese Nebenbeschäftigungen haben die Jungs allerdings niedergelegt, um sich ganz auf App und Coworking- Space zu konzentrieren. Der ist übrigens derzeit der einzige in Bad Tölz.

Freiberuflich durchstarten, aber keine Lust, alleine im Kämmerlein zu brüten? Henrik Heubl hat zusammen mit Maxi Mayr dafür in Bad Tölz eine Lösung. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Nach gut einem Jahr Coworking-Area zeigen sich Maxi und Henrik zufrieden: Drei bis vier Leute mieten sich momentan einen Arbeitsplatz hier an, vor einigen Monaten waren es noch etwas mehr. Ab und zu wird es im Gschafft-Laden auch voll, nämlich dann, wenn Veranstaltungen stattfinden. Im Mai trugen die Jungs hier "Die Tölzer Höhle des Löwen" aus, ein Zusammentreffen von Start-up-Gründern und potenziellen Investoren.

Das Coworking-Konzept der "Gschafftler", wie sich Maxi und Henrik selber nennen, ist ein kollegiales. Mehrere große Tische stehen in dem rot angestrichenen Raum, darum herum bunt zusammengewürfelte Holzstühle, auf den Fensterbänken stapeln sich Kissen. "Jeder arbeitet zwar für sich selbst, aber es können sich oft Kooperationen ergeben", erklärt Henrik, wieso sie nicht auf kleine Einzelbüros gesetzt haben. Unter dem Codewort "Gschafft-Brain" gilt für alle: Zusammensetzen, jetzt wird an einer Sache gemeinsam herumgetüftelt.

Was die jungen Leute in der Tölzer Coworking-Area treiben, ist im Ort noch nicht allen klar. Erst heute Morgen habe ein Rentner mit der Frage "Was macht ihr da eigentlich?", sein Unwissen preisgegeben. "In fünf Jahren wird es viel mehr Freelancer geben, langfristig werden mehr Menschen im Homeoffice arbeiten. Wir haben oft die Überlegung, ob wir nicht zu früh dran sind fürs Land", so Henrik. Aber sie halten durch, weil die Situation finanziell derzeit durchaus rentabel sei.

Von ihren Stühlen im Coworking-Space aus haben die beiden Jungunternehmer ihr Start-up, die "Gschafft GbR" gegründet (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zu früh, aber nur ein bisschen, ist es auch für Beatrice Wagner von der SPD Icking. Die Idee von einem Coworking-Space und wird von SPD und Grünen gerne diskutiert, konkret haben die Ickinger bisher noch keine Pläne entworfen. Sie wollen damit bis zu den Kommunalwahlen 2020 und auf den neuen Gemeinderat warten.

Für Wagner ist Coworking gerade am Land sinnvoll, weil "man hier sehr schnell vereinsamen kann." Sie kenne das aus ihrer Zeit als freiberufliche Journalistin, wo man tagein tagaus alleine am Schreibtisch verbringe. In Icking, sagt sie, gebe es viele solcher Freiberufler. Als soziale Aufgabe sieht sie es, eben jene Freiberufler an einen Tisch zu holen und gemeinsam eine Coworking-Area mitzugestalten.

Auch in Wolfratshausen zeigt sich Stadtmanager Stefan Werner gegenüber einem Coworking-Space aufgeschlossen. "Wir haben bisher keine Initiativen. Wenn sich ein Betreiber findet, der mit einem derartigen Geschäftsmodell antritt, sind wir dafür offen", sagt er. Der Landkreis braucht eben mehr "Gschafftler".

© SZ vom 05.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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