In Bad Tölz-Wolfratshausen:1,7 Millionen Überstunden

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Beschäftigte leisten oft Mehrarbeit, die unbezahlt bleibt

Rund 1,7 Millionen Arbeitsstunden haben die Beschäftigten im Landkreis im vergangenen Jahr zusätzlich geleistet, davon 935 000 Überstunden zum Nulltarif, also ohne Bezahlung. Das geht aus dem "Überstunden-Monitor" hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) erstellt hat. Danach haben Beschäftigten den Unternehmen 23 Millionen Euro "geschenkt", heißt es in der Pressemitteilung der Gewerkschaft. Allein in Hotels und Gaststätten leisteten die Beschäftigten hier 2018 rund 74 000 Überstunden. Das hat das Pestel-Institut auf Basis des Mikrozensus berechnet. Die Wissenschaftler sind von bundesweiten Durchschnittswerten ausgegangen. Demnach waren 45 Prozent aller im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen geleisteten Überstunden im Gastgewerbe unbezahlt. Für 2018 bedeutet dies - bei zwölf Euro Lohnkosten pro Stunde für den Arbeitgeber - ein "Lohn-Geschenk" von 394 000 Euro.

Deshalb geht die NGG nun in die Offensive: Sie stellt sich mit der Gastgewerbe-Kampagne "#fairdient" hinter die rund 3100 Beschäftigten in den Hotels, Restaurants und Gaststätten im Landkreis. Denn ihnen drohe - über den verlorenen Lohn bei Umsonst-Überstunden hinaus - noch ein anderes Problem: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) dränge die Bundesregierung, die Arbeitszeiten noch flexibler zu machen. "Es geht darum, das Arbeitszeitgesetz zu durchlöchern. Ziel der Arbeitgeber ist es, die Höchstarbeitszeit auf bis zu 13 Stunden pro Tag auszuweiten", kritisiert NGG-Geschäftsführer Georg Schneider. Der Dehoga werde sich mit seinem Vorstoß "ein Eigentor schießen", so die NGG. Denn das Hotel- und Gaststättengewerbe könnte durch eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit an Attraktivität einbüßen. "Gerade junge Menschen werden dadurch verschreckt. Und das bei der - im Branchenvergleich - ohnehin schon besonders niedrigen Ausbildungsquote", sagt Schneider. Der Gewerkschafter warnt: Mehr arbeiten zu müssen, bedeute immer auch ein höheres Gesundheitsrisiko. "Schlafstörungen, Erschöpfung, Rückenschmerzen und sogar Arbeitsunfälle können die Folge sein." Im Gastgewerbe sei es bereits heute gang und gäbe, überdurchschnittlich oft an Wochenenden und Feiertagen, spätabends und auf Abruf zu arbeiten. "Dazu kommt ein guter 'Flex-Faktor' durch Arbeitszeitkonten. In Tarifverträgen hat die NGG mit dem Dehoga vielfältige Arbeitszeitmodelle vereinbart. Zu viele Betriebe setzen diese aber nicht in der Praxis um", sagt Schneider. Er fordert deshalb Unternehmen auf, sich an diese Regelungen zu halten und Dienstpläne frühzeitig und verlässlich zu schreiben

© SZ vom 28.08.2019 / cjk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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