Im ZUK Benediktbeuern:Bizarre Varianten des Sündenfalls

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Das alte Spiel, neu dargeboten: Eine Frau, ein Mann und eine Verführung. Die georgischen Stabpuppenspieler transferieren die eigentlich biblische Szene in verschiedene Epochen. (Foto: Manfred Neubauer)

Das georgische Joseph-Hipp-Puppentheater mit "Der Apfel" in Benediktbeuern. Adam und Eva verwandeln sich mal in Jason und Medea, mal in Hitler und Marika Rökk

Von Paul Schäufele

Benediktbeuern - Oh Eva! Deiner Begeisterung für Kernobst haben wir den ganzen Schlamassel zu verdanken. Wobei man sich ja auch fragen könnte, weshalb Adam so willig nach der Frucht griff - wusste er doch genauso gut wie die Gattin, dass der paradiesische Großgärtner diesen Baum unter Schonung gestellt hatte. Versuche, eine Antwort auf diese Frage zu finden, bietet das Stück "Der Apfel". Das georgische Joseph-Hipp-Puppentheater hat es am Donnerstag in der Ausstellungstenne des Maierhofs am Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) Benediktbeuern aufgeführt. Doch nicht etwa als einfache Darstellung der Vertreibung aus dem Garten Eden in der Art mittelalterlicher Paradiesspiele, sondern als bizarre Reise durch die Weltgeschichte.

Im Stück ist der Fall "Adam und Eva" nur ein Prolog. In Wahrheit waren die beiden Objekte in einer Versuchsanordnung: Wie handelt der Mann, wenn ihm eine (potenzielle) Geliebte halbseidene Angebote macht? Unnötig zu sagen, dass sich der männliche Part nicht bewährt hat. Zu gerne ließ er sich verführen - Prüfung nicht bestanden. Die göttliche Stimme aus dem Nichts aber ist gnädig. Sieben Mal hat er noch Gelegenheit, sich zu bewähren - sieben Episoden, die das Ensemble, allesamt Studenten der Staatlichen Akademie der Künste Tbilissi, mit den in Georgien seit dem 18. Jahrhundert bekannten Stabpuppen auf die Bühne brachte.

Jason und Medea, die zu "Rock Around the Clock" die Glieder zappeln lassen, machen den Anfang. Ernster wird es auch mit Kleopatra und Cäsar nicht ("Ich bin der Julius"). Gerne lässt sich der Feldherr auf Wunsch der schönen Ägypterin - bemerkenswert, wie geschmeidig sich Stabpuppen bewegen lassen - zum "dictator perpetuus" ernennen. Die Folgen sind bekannt.

Die dritte Reinkarnation des ersten Menschenpaares ist dann schon weniger begeistert, als es darum geht, Macht anzuhäufen, weil eine Frau es will: "Wenn's denn sein muss." Aber es ist ja auch nicht irgendeine Frau, sondern bereits seine Gattin. Mehr anstrengen muss sich da schon Napoleon, um seine Joséphine zu gewinnen. Auf Saint Helena war er dann alleine.

Lenin lässt sich nach einem letzten Tango mit Rosa Luxemburg zur Revolution überreden. Fanny Kaplan sieht das nicht gerne. Hitler reist Marika Rökk hinterher, was als Polenfeldzug missinterpretiert wurde, und Putin lässt sich von einer Dame mit aufwendig geflochtenem Haar zum Urlaub in der Ukraine inspirieren. Nur beim Letzten ist der Ausgang noch ungewiss. Mit allen anderen endet es bös.

Je näher an der Gegenwart, desto grotesker wurde der Abend, desto politischer auch. Die mächtigen Männer, die so schwach werden, wenn ihnen die richtige Dame über den Weg läuft, gibt es heute noch, und voraussichtlich wird sich daran auch so bald nichts ändern. Das Problem bleibt einstweilen ungelöst.

Die Studenten von Giga Lapiaschwili, Professor für Bühnengestaltung, vergessen bei aller Leichtfüßigkeit und grellen Komik nicht, dass ihr Puppentheater gesellschaftliche Relevanz hat. Sie alle sind keine professionellen Puppenspieler. Der Bühnenleistung merkt man das nicht an. Mit großem Geschick werden auch schwierige Gruppenchoreografien gemeistert - drei Paar Hände an einer Puppe!

Das dicht gedrängt sitzende Publikum dankt den Gästen aus Georgien mit lang anhaltendem Applaus.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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