Ickinger Frühling:"Mein Kopf ist voller Musik"

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Geigenlehrerin Birgitta Bohn gehört zu den wenigen, die das Programm des "Ickinger Frühlings" komplett ausgekostet haben. Eindrücke aus fünf Konzerten prominenter Streichquartette

Interview von Stephanie Schwaderer

Mit Beifallsstürmen ist am Sonntagabend der dritte "Ickinger Frühling" ausgeklungen - ein hochkarätig besetztes Streichquartett-Festival, für das der Verein Klangwelt Klassik verantwortlich zeichnet. Vorstandsmitglied Birgitta Bohn ist ganz in das Programm eingetaucht.

SZ: Fünf Konzerte in zwei Tagen - haben Sie sich schon erholt?

Birgitta Bohn: Halbwegs. Anders gesagt: Ich bin noch immer voller Eindrücke, mein Kopf ist voller Musik. Das Wochenende war anstrengend, aber beglückend.

Gab es einen Punkt, an dem Sie dachten: Jetzt reicht's?

Den hatte ich am Sonntag nach dem Mittagessen. Das Vormittagskonzert mit dem Doric String Quartet aus London war so intensiv gewesen, dass ich das Gefühl hatte, jetzt eigentlich nichts mehr hören zu wollen. Aber dann gab es eine längere Mittagspause, in der man sich mit den Künstlern unterhalten konnte - das ist ja eine Besonderheit beim Ickinger Frühling - und auch da war wieder diese Begeisterung zu spüren, mit der alle bei der Sache sind. Sonst verschwinden die Musiker ja oft sofort nach einem Auftritt. An diesem Wochenende haben sie sich gegenseitig zugehört und es genossen, sich auszutauschen auszutauschen und sogar miteinander zu spielen.

Wie sind die Musiker denn so privat?

Das klingt jetzt banal: Ganz normal. Erst traut man sich ja vielleicht nicht, einen weltbekannten Musiker anzusprechen. Aber dann trifft man - mit wenigen Ausnahmen - auf ganz natürliche, unkomplizierte, offene Menschen. Ich habe interessante Dinge erfahren, zum Beispiel, wie unterschiedlich die Musiker zusammenarbeiten. Das Gémeaux Quartett etwa trifft sich nur hin und wieder zu längeren Probephasen, weil die vier Musiker in London, Basel und Frankfurt sitzen. Sie sagen: That keeps us fresh. Andere proben täglich und feilen wie Hochleistungssportler an einem perfekten Klang.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Gémeaux Quartett eröffnete das außergewöhnliche Klassikfestival.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Von der Flügellieferung...

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

...bis zum Stühleschleppen - im "Ickinger Frühling" steckt viel Arbeit.

Unter den Gästen waren die Initiatoren Susanne und Christoph Kessler (re.), hier im Gespräch mit Bettina Gaebel.

So etwa das Quatuor Hermès aus Paris, das nach der Mittagspause dran war.

Das war ein Glück! Dieses Quartett ist so jung, so frisch, das hat noch einmal eine ganz neue Note in das Programm gebracht. Die vier sprühen vor Energie, spielen dabei unglaublich präzise und haben diesen französischen Klang . . .

Wie würden Sie den charakterisieren?

Fast filigran, sehr sensibel, selbst im Pianissimo durchscheinend. Manchmal spielen sie mit dem Bogen fast am Griffbrett, das gibt einen fast nebligen Klang. Der Titel des Konzerts war somit gut gewählt: Französische Impressionen. Gerade zu Ravel passt dieser Stil natürlich hervorragend, aber auch ihr Dutilleux war wunderbar. Zudem ist es eine Freude, diesen jungen Musikern zuzusehen, wie sie miteinander wortlos kommunizieren, wie sie sich anlächeln.

Anders als das Borodin-Quartett am Samstagabend?

Das war wirklich der größte Kontrast, den man sich denken kann! Die vier Russen waren todernst, verzogen keine Miene. Zu Schostakowitsch passte das ja ganz gut - seine Streichquartette 7 und 11 sind beides Trauerquartette. Aber auch ihr Beethoven nach der Pause blieb ohne jeden hoffnungsvollen Moment. Diese Stimmung hat sich auch auf das Publikum übertragen. So ausgelassen das Festival mit dem Gémeaux Quartett und der launischen Forelle am Nachmittag begonnen hatte, so bedrückend endete der Abend. Ich bin mit dieser Beklemmung nach Hause gegangen. Und war am Sonntagmorgen geradezu erleichtert, dass das Doric String Quartet den Tag mit einem grandiosen und versöhnlichen Beethoven eröffnete.

Was hat Ihnen nun am besten gefallen?

Das habe ich mich auch schon gefragt. Spontan würde ich sagen: Tatsächlich der Beethoven des Doris String Quartets - das Streichquartett op. 132 ist für mich eines der größten Werke der Quartettliteratur überhaupt. Aber auch der Dutilleux war wunderbar: Wir sollten ja viel mehr Neue Musik hören. Und sehr spannend war es für mich zu erleben, wie unterschiedlich diese Quartette Haydn interpretieren.

Haben sich viele Leute so wie Sie das ganze Programm angehört?

Eine kleine Fangemeinde war in jedem Konzert, darunter ein Münchner Ehepaar, das sich dafür extra in Icking eingemietet hatte. Aber die meisten haben sich einzelne Termine ausgesucht. Der Samstag und das Abschlusskonzert waren sehr gut besucht, am Sonntag hätten es tagsüber schon ein paar Gäste mehr sein dürfen.

Als Gast ahnt man nicht, wie viel Arbeit in einem solchen Festival steckt. Hat sich der Aufwand gelohnt?

Beim Aufbau haben uns diesmal sechs Gymnasiasten geholfen, sonst hätten wir das nicht geschafft. Wir mussten nicht nur den Konzertsaal und das Café vorbereiten, sondern für jedes Quartett ein Klassenzimmer leer räumen. Am Sonntag haben wir bis nach Mitternacht wieder abgebaut. Das war schon alles unglaublich viel Arbeit. Aber wenn man dann im Konzert sitzt und diese Musik hört, dann weiß man wieder, wofür man das macht.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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