Icking:Netto ist der Markt zu klein

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Obwohl die Filiale anscheinend kein Minus macht, muss sie schließen - zum Bedauern ihrer Kunden und wohl aus Gründen der Firmenpolitik.

Isabel Meixner

Helmut Schulze hat in seinem Berufsleben in einigen Netto-Stellen gearbeitet. Erst kürzlich wurde er in den Supermarkt nach Icking versetzt. Seine vorige Filiale in der Senftenauerstraße in Laim wurde geschlossen. Seine derzeitige Filiale in Icking wird auch geschlossen. Für den stellvertretenden Marktleiter folgt die Schließung der Ickinger Außenstelle der Logik der Firmenpolitik. "Sie werden langfristig alle kleinen Läden in den Städten zumachen", mutmaßt Helmut Schulze. "Sie wollen nur große Läden haben in der Hoffnung, mehr Umsatz zu machen."

Der Pachtvertrag läuft Mitte November aus. Derzeit verhandeln die Hauseigentümer und Discounter Netto, ihn über die Wintermonate noch zu verlängern. (Foto: Hartmut Pöstges)

Denn dass der Supermarkt in Icking einen Verlust einfährt, glaubt Schulze nicht nach allem, was er in der Zeit seit seiner Versetzung mitbekommen hat: "Der macht nicht weniger Umsatz als der in der Senftenauerstraße - und der hat kein Minus gemacht." Vielmehr sei die Verkaufsfläche von 380 Quadratmetern das Problem, sagt der stellvertretende Marktleiter: Die Netto-Filialen sind nach einem System aufgebaut, das einfacher zu handhaben ist, wenn alle Geschäfte den gleichen Aufbau und die gleiche Größe haben - nämlich die für Discounter üblichen 800 Quadratmeter plus. "Sie wollen möglichst auf die Wiese bauen", sagt Schulze. Derartige Pläne - etwa am Kreisverkehr am nördlichen Ortsausgang - hatten die Ickinger Gemeinderäte in der Vergangenheit mehrmals abgelehnt."Für die alten Leute ist das ein Problem"

Mit dem Weggang verliert Icking seinen einzigen Nahversorger - zum Leidwesen der Kunden. "Das wäre schlecht", sagt Heinz Sonntag, der gelegentlich bei Netto einkauft. "Ich würde das sehr bedauern." Christoph Sattelberger schimpft dagegen auf den Gemeinderats, der vor Jahren einen größeren Supermarkt in Spatzenloh einstimmig abgelehnt hatte: "Das war nicht ganz sauber." Das Sortiment wäre dort größer gewesen, Parkplatzmöglichkeiten hätte es im Gegensatz zum jetzigen Standort genügend gegeben. "Mir ist es egal, wo ich meine Semmeln kaufe", sagt Sattelberger, "aber für die alten Leute ist das ein Problem."

Doch es sind nicht nur ältere Menschen ohne Auto, die bei Netto einkaufen. Das Publikum ist laut stellvertretendem Filialleiter Schulze bunt gemischt, von Schülern, die sich mittags etwas zu essen kaufen, bis hin zu Auswärtigen, die beim Vorbeifahren schnell ein paar Dinge besorgen. Oder Ickinger Familien, die hier ihren Großeinkauf tätigen. Wie Birgit Wieske, die dort dreimal pro Woche ihre Lebensmittel besorgt. Zur voraussichtlichen Schließung sagt sie: "Das ist auf der einen Seite schade. Auf der anderen Seite kommt schon wieder jemand rein." Woher sie die Gewissheit nimmt? "Beim Früchtchen-Laden war das auch ein Hickhack, und jetzt ist der Heinz drin."Angst vor dem Supermarkt am Kreisverkehr

Gemeint ist Heinz Schröder, der seit 2006 den Obst- und Getränkeladen im Rathaus führt. Er glaubt nicht, dass sein Umsatz zurückgeht, wenn Netto seine Filiale schließt: "Meine Leute kommen weiterhin, weil sie gutes Obst wollen." Dennoch betrachtet er die Entwicklung mit Sorge: "Ich habe Angst, dass an den Kreisel ein Supermarkt kommt." Der würde seinem Geschäft Konkurrenz machen, im Gegensatz zum jetzigen Laden, sagt Schröder: "Wir haben uns gegenseitig ergänzt." Er bringt die Idee eines Dorfladens ins Spiel: "Du brauchst ja nur die Grundsachen. Obst und Gemüse habe ich, frische Wurst und Semmeln hat der Baumgartner."

Auch Anni Baumgartner vom angrenzenden Schreibwarenladen würde es begrüßen, wenn sich ein Betreiber für den Supermarkt fände, aber "nicht unbedingt mit unserem Sortiment". Ob sie Umsatzeinbußen befürchtet? "Das kann ich schlecht einschätzen. Wir haben unsere Stammkundschaft." Der Rest werde sich zeigen. Dann nämlich, wenn die Netto-Filiale schließt. Das wird voraussichtlich im November der Fall sein, möglicherweise auch erst im Frühjahr 2013: Derzeit verhandelt der Discounter mit den Hauseigentümern, um den auslaufenden Pachtvertrag über die Wintermonate zu verlängern.

© SZ vom 16.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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