Helfer aus Leidenschaft:Immer im Einsatz

Lesezeit: 3 min

Sozial engagiert: Mit 14 Jahren ging Christoph Preuss zur Feuerwehr, mit 16 zum Roten Kreuz. Sei 25 Jahren arbeitet er in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Leitender Notarzt, Feuerwehrmann, Internist: Christoph Preuss rettet seit mehr als 25 Jahren Menschenleben. In seiner Freizeit sitzt er für die CSU im Ickinger Gemeinderat - und setzt sich für das Wohl der Gemeinde ein

Von Claudia Koestler, Icking/Wolfratshausen

Wie viele Menschen verdanken ihm ihr Leben? Diese Frage kann Christoph Preuss nicht beantworten. Seit mehr als 25 Jahren arbeitet er als Arzt an der Wolfratshauser Klinik, und ebenso lange ist der 56-Jährige auch als Notarzt zwischen Icking und Königsdorf, Münsing und Dietramszell unterwegs. Wie viele Männer, Frauen und Kinder er in dieser Zeit in oft dramatischen Situationen medizinisch versorgt hat, lässt sich nicht beziffern. Gesichert ist indes, dass Preuss, der inzwischen auch Leitender Notarzt ist, eines der einsatzintensivsten Gebiete in Oberbayern betreut.

Das liegt zum einen an der Bevölkerungsdichte, zum anderen am relativ hohen Altersdurchschnitt der Bürger - und daran, dass sich Erholungsgelände und Autobahn in seinem Einsatzgebiet befinden. Muss bei einem Bombenfund wie unlängst in Geretsried ein Pflegeheim evakuiert werden oder gibt es andere so genannte "Großschadensereignisse", rückt Preuss ebenfalls aus.

Und das ist manchmal nicht alleine seiner Funktion als Notarzt geschuldet. Denn Preuss ist zugleich auch Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Icking: "Es gibt sehr gute Synergieeffekte, wenn man in beiden Strukturen zu Hause ist, Feuerwehr und Notfallmedizin", sagt er. Folglich kann es jederzeit passieren, dass der Beeper läutet und Preuss aufspringt - auch in einer Gemeinderatssitzung, in der er obendrein ehrenamtlich so manche Abende als CSU-Vertreter verbringt.

Seit seinem zweiten Lebensjahr ist Preuss in der Isartalgemeinde zu Hause. Als Gemeinderat will er sich dafür einsetzen, "dass Icking so erhalten bleibt, wie es ist und wie es war". Geboren wurde er in Boston, USA, "weil meine Eltern zur damaligen Zeit drüben waren", sagt er. Deshalb ist er im Besitz der doppelten Staatsbürgerschaft - "und immer bei den Präsidentenwahlen dabei, auch bei den jüngsten", erzählt er. "Wenn man ein demokratisches Recht zur Wahl hat, soll man es auch nützen."

Früh zeigte er soziales Engagement: Mit 14 Jahren ging er zur Feuerwehr, mit 16 Jahren zum Roten Kreuz. Sein Abitur machte er in Geretsried. Den Entschluss, sich zunächst für die Junge Union und später für die CSU zu engagieren, habe er einerseits aus einer "Grundeinstellung", andererseits aus einer "jugendlichen Protesthaltung" heraus gefällt: "Eigentlich bin ich Pazifist." Als sich Ende der 1970er Jahre der Kalte Krieg zuspitzte und der von Bundeskanzler Helmut Schmidt vorangetriebene Nato-Doppelbeschluss in einem Wettrüsten mündete, habe er sich politisch positionieren wollen. "Meine Eltern, muss ich dazu sagen, waren nicht so auf der schwarzen Seite." Er habe eine "politisch-demokratische Haltung vertreten und sich auch für die Belange der Jugend einsetzen wollen", dafür habe ihm die Junge Union eine Heimat geboten.

Obwohl Preuss aus einem Ärztehaushalt stammt, war das Medizinstudium für ihn zunächst keine Option. "Ich wollte nicht das machen, was meine Eltern gemacht haben", sagt er. "Ich bin stattdessen über den Zivildienst, den ich an einer neurologischen Klinik absolvierte, zur Krankenpflege gekommen und habe mich da auch sehr wohl gefühlt." Preuss arbeitete auf der Intensivstation in Großhadern, wollte aber nach einiger Zeit weiterlernen. Er entschied sich doch für das Medizinstudium und finanzierte es sich, indem er weiterhin als Pfleger arbeitete. "Diese Doppelbelastung war nicht einfach", sagt er. Allerdings habe er so sehr viel praktische Erfahrungen sammeln können.

Nach seinem Abschluss arbeitete er noch ein halbes Jahr in Großhadern als Arzt. Als eine Stelle in der Wolfratshauser Klinik frei wurde, bewarb er sich erfolgreich. "Den Schritt habe ich nie bereut. Ich fühle mich hier wohl", sagt er. Dass er als Oberarzt der Abteilung Innere Medizin auch die Notfallmedizin stemmt, hat sich seinen Worten nach "eben ergeben". Natürlich sei man gerade bei Noteinsätzen sehr gefordert: "Das Adrenalin pumpt, und man muss zugleich sehr strukturiert arbeiten." Bei manchen Unfällen ruhig zu bleiben, "das geht nur im Team".

Einer seiner ersten Einsätze war ein schwerer Verkehrsunfall, den eine junge Frau nicht überlebte. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Feuerwehrkollege, welcher der Sterbenden bis zuletzt zur Seite gestanden hatte, die Frau gut kannte: Sie war seine Tanzpartnerin bei der Maifeier gewesen. Da sei ihm klar geworden, dass es eine Nachbetreuung brauche, sagt Preuss. Also knüpfte er Kontakte - und stieß die inzwischen flächendeckend etablierte psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte an. "Es hat sich bewährt, sich nach schweren Einsätzen zusammenzusetzen und das Ganze durchzusprechen", sagt er. Auch er verarbeite die schlimmen Seiten seines Berufs durch Gespräche.

Im akuten Notfall sei vor allem strukturelles Vorgehen gefragt. "Bei einer Reanimation zum Beispiel wird gezählt, wie viel Male einer drückt, und durch das Zählen kommt man nicht mehr ins Nachdenken, was mit dem Menschen gerade passiert." Solche Mechanismen seinen ebenso wichtig wie die Kommunikation darüber, was jeder gerade mache. "Damit wird es rational", beschreibt er.

Daneben hat sein Beruf auch helle Seiten: Nicht selten kämen Patienten später bei ihm vorbei, um sich bei ihrem Lebensretter zu bedanken. "Und das freut einen schon sehr." Darüber hinaus sind es dann die Ehrenämter, die für ihn am Ende des Tages ein Ausgleich sind - neben der Familie. Bei manchen Diskussionen im Gemeinderat könne man sich zwar die Haare raufen. "Aber unterm Strich will man ja für seine Heimat, für sein Dorf etwas bewegen, es erhalten, den jungen Leuten eine Perspektive bieten." Wenn am Ende etwas Gutes herauskomme, sei das immer ein Hochgefühl: "Ob es der Patient ist, der gesund wird, oder die Gemeinde, die blüht."

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: