Glosse:Nächster Halt: Kirche oder so

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Animation im Bus: So vergessen die Fahrgäste die nächste Preiserhöhung

Von Barbara Briessmann

Alle Jahre wieder. Die Regale, die Prospekte - in den Supermärkten ist schon Advent. Da kommt bekanntlich nicht nur der Nikolaus, sondern auch der Münchner Verkehrsverbund und sackt wieder ein. Die Preise steigen, natürlich besonders hart für die Pendler, für alle, die auf die öffentliche Beförderung angewiesen sind. Doch wie verkauft man den teuren Spaß? Der MVV setzt auf ein bewährtes Rezept. Bus und Spiele! Das soll dem Fahrgast vorgaukeln: Die tun was für mein Geld.

Beispiel: Linie 975 zwischen Wolfratshausen und Starnberg. Kein Tag vergeht mehr ohne Animation. Wie in allen Bussen wird der Reisende von seinen Gedanken an steigende Kosten abgelenkt. Dazu braucht der MVV jeweils nur zwei Akteure. Das Manöver heißt Fahrgastbefragung. Woher? Wohin? Wie oft? Welches Ticket nutzen Sie? Das ist spannend. Vor allem, was die Mitreisenden so tun. Letzte Frage: "Haben Sie Ihren Fahrschein auch am letzten Sonntag genutzt?" Antwort einer Dame im 975er: "Da fährt doch gar kein Bus."

Nachdem das auf Dauer auch langweilig wird, werden inzwischen sogar Dramen aufgeführt. Der Fahrer heizt am Vorabend - es ist die letzte Fahrt um 17.26 Uhr - also über Weidach und Dorfen Richtung Starnberg. So wie immer. Doch dann rührt sich was. Ein Mann mit schlohweißem Haar und Bart erhebt sich mit Rucksack und Koffer. Wie es scheint, ein Ortsunkundiger. Er fragt den Busfahrer nach der Haltestelle "Farchach Kirche". Mit einer Armbewegung deutet dieser an, dass diese noch vor uns liegt. Die Mitreisenden warnen, das sei schon der nächste Stopp. Doch der Buslenker fährt ungerührt daran vorbei. Der Weißhaarige fängt an zu schreien, von Beschwerde und so. Die Fahrgäste halten den Atem an. Der Mann am Steuer murmelt seelenruhig: "Aufkirchen kommt doch noch."

PS: Bayernweit werden mit einer großen Kampagne "erfahrene Busfahrer" gesucht.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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