Gericht:Blechschaden mit langwierigen Justizfolgen

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Ein Rentner fährt 2016 von der Garmischer Autobahn bei Sindelsdorf ab. Es kommt zur Kollision mit einem anderen Auto. Zum Unfallhergang soll der Senior in einem Zivilverfahren gelogen haben. Das Amtsgericht Wolfratshausen verurteilt ihn nun wegen versuchten Betrugs

Von Benjamin Engel

Wolfratshausen - Selbst an das Steuer eines Autos wird sich der Angeklagte wohl kaum mehr setzen. Der Unfall an der Ausfahrt der Garmischer Autobahn A 95 bei Sindelsdorf ist vier Jahre her. Mittlerweile ist der heute 74-jährige Rentner im Pflegeheim. Der Senior ist aber gesundheitlich inzwischen so angeschlagen, dass er zur Verhandlung vor dem Wolfratshauser Amtsgericht am Montag nicht persönlich erscheinen konnte.

Beim Abbiegen auf die Bundesstraße 472 war der Angeklagte im Jahr 2016 mit dem Auto eines damals 39-jährigen Metallarbeiters zusammengestoßen. In einem Zivilverfahren vor dem Wolfratshauser Gericht behauptete der Senior, dass der jüngere Mann schuld am Unfall gewesen sein soll. Laut einem Gutachten konnte dies aber nicht stimmen. Der Rentner wurde deshalb wegen versuchten Betrugs angeklagt und dafür nun zu einer Geldstrafe verurteilt.

Mit zwei unterschiedlichen Unfallversionen musste sich das Amtsgericht in der aktuellen Verhandlung befassen. Wie der Verteidiger des Angeklagten schilderte, habe sein Mandat im Oktober 2016 mit zwei Buben auf dem Rücksitz nach München fahren wollen. Der Senior habe sich verfahren. Bei der Ausfahrt Sindesldorf sei der Rentner von der Garmischer Autobahn abgefahren und auf die Bundesstraße 472 eingebogen. Nach 50 Metern habe ihn der Metallarbeiter mit seinem Wagen und überhöhter Geschwindigkeit überholt. Beim Wiedereinscheren sei der jüngere Mann mit dem Auto des Seniors zusammengestoßen. "Der Angeklagte war der Ansicht, dass sich der Unfall so zugetragen hat", sagte dessen Verteidiger. In dem früheren Zivilverfahren habe sein Mandant den Unfall nur aufklären wollen. Der Vorwurf, dass er gelogen habe, um von der Versicherung unrechtmäßig Geld zu kassieren, lasse sich nicht nachweisen. Daher sei der Rentner freizusprechen.

Nur noch an einen dumpfen "Schlag" von der rechten Seite erinnert sich dagegen der Metallarbeiter. Der Mann fuhr damals auf der Bundesstraße 472 von Weilheim Richtung Bad Tölz. Der Angeklagte sei direkt beim Einbiegen von der Autobahnausfahrt in sein Auto gekracht. Zu schnell sei er selbst nicht gefahren. Statt der dort erlaubten 70 Stundenkilometer sei er nur mit Tempo 50 oder 60 unterwegs gewesen. Beruflich sei er auf seinen Führerschein angewiesen, er halte die Geschwindigkeit ein. "Deswegen schaue ich immer auf den Tacho", sagte der Mann.

Nach der Kollision hatten die beiden Männer sofort am Straßenrand angehalten. Laut dem jüngeren Metallarbeiter hätten sie ausgemacht, ihre Personalien an der Tankstelle im nahen Bad Heilbrunn auszutauschen. Denn an der Unfallstelle selbst sei es dunkel und viel Verkehr gewesen. Doch der Senior sei "Vollgas" Richtung Autobahn davon gefahren.

Der Mann hatte den Rentner daher bei der Polizei angezeigt. Wegen Unfallflucht hatte das Amtsgericht Weilheim schon 2017 einen Strafbefehl gegen den Senior erlassen. Zu Zivilverfahren kam es vor den Amtsgerichten in München und Wolfratshausen. Dort hatte der Angeklagte zunächst auf Schadenersatz geklagt, dies aber dann zurückgenommen. Damals wie nun erneut hatte ein Gutachter ausgesagt, dass die Unfallschäden mit der Version des Angeklagten nicht zusammenpassten. Zu einem Überholvorgang mit Einscheren passe der Winkel nicht, mit dem die Autos zusammengestoßen seien.

Der Staatsanwalt und Strafrichter Helmut Berger gingen deshalb von einer Falschaussage des Angeklagten aus. In seinem Urteil blieb Berger mit 90 Tagessätzen zu 30 Euro unter der Forderung des Staatsanwalts von 100 Tagessätzen zu 47 Euro. Der aktuelle Prozess sei bereits das vierte Verfahren zum Unfall, sagte Berger. "Ich bin nicht sicher, ob es das letzte Mal ist."

© SZ vom 21.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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