Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen:Schwere Zeiten für Pazifisten

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Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz, wie hier mit einer Mahnwache am Winzerer-Denkmal in Bad Tölz, gehören zum festen Repertoire der 1991 gegründeten Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit gut 30 Jahren kämpft die Landkreisgruppe gegen militärische Gewalt. Sie protestierte unter anderem gegen die Krieg im Kosovo und im Irak. Der russische Angriff auf die Ukraine hat alte Gewissheiten ins Wanken gebracht - allerdings nur vorübergehend.

Von Petra Schneider

Seit gut 30 Jahren gibt es die Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen, gegründet wurde sie im Februar 1991 aus Protest gegen den Golfkrieg. Eine Veranstaltung zu diesem runden Geburtstag im November vorigen Jahres musste wegen Corona abgesagt werden. Eigentlich sollte es ein "Fest mit Tanz und Sambagruppe werden", sagte Sprecher Helmut Groß bei einem Pressetermin. Aber angesichts des Kriegs in der Ukraine "ist uns das Feiern vergangen." Am Sonntag, 8. Mai, wird es im Geltinger Hinterhalt nun eine abgespeckte Jubiläumsveranstaltung mit Friedenskonzert und einem Podiumsgespräch der beiden Gründungsmitglieder und ehemaligen Bundestagsabgeordneten, Klaus Barthel (SPD) und Andreas Wagner geben, der im Dezember die Linkspartei verlassen hat.

"Der Einsatz von militärischer Gewalt ist ein völlig ungeeignetes Mittel, um dauerhaft Konflikte zu lösen": So lautet eine der Kernbotschaften der Friedensinitiative, der im Landkreis derzeit etwa 25 Mitglieder angehören. Frieden schaffen ohne Waffen: Dazu gehören für sie Abrüstung und Dialog statt Abschreckung, langfristig die Abschaffung der Bundeswehr, ebenso die Ablehnung der Nato, die "immer stärker zu einem globalen Akteur geworden ist", wie Wagner erklärte. Entsprechend kritisch sieht die Friedensinitiative einen möglichen Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands. "Das wird das Sicherheitsgefühl der Russen nicht erhöhen", warnte Groß.

Die Sorge vor einer Eskalation und einem dritten Weltkrieg treibt auch die Mitglieder der Friedensinitiative in nie gekannter Weise um. Angesichts der anhaltenden Brutalität des Kriegs und der Unberechenbarkeit Putins wächst die Hilflosigkeit, geraten alte Gewissheiten ins Wanken. "Wir hatten unsere Diskussionen", sagte Gründungsmitglied Hans Gärtner. Es habe einen "Klärungsprozess" gebraucht. Die Standpunkte sind geblieben: keine Waffenlieferungen an die Ukraine, denn "dies bedeutet, einen Brand mit Benzin zu löschen", Rückkehr an den Verhandlungstisch und intensive Bemühungen um einen Waffenstillstand - so hat es die Landkreisgruppe im März in einer Stellungnahme zusammengefasst. Auch Wirtschaftssanktionen, die darauf abzielten, "Russland zu ruinieren", lehnt die Friedensinitiative ab, weil dies nur nur zu einer weiteren Eskalation führe. "Frieden in Europa ist nur mit und nicht gegen Russland zu erreichen". Das schließe eine Anerkennung "legitimer Sicherheitsinteressen Russlands" ein. Kontakte auf wirtschaftlichem, wissenschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Gebieten zur russischen Bevölkerung dürften nicht gekappt werden.

Mitte April haben die Mitglieder ihre Forderungen in einem Schreiben an den CSU-Wahlkreisabgeordneten Alexander Radwan bekräftigt: gegen das 100 Milliarden Euro schwere Sofortprogramm für die Bundeswehr und gegen Rüstungsinvestitionen in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Druck der öffentlichen Meinung und der Medien sei extrem gestiegen, auch seitens der Grünen. Dass der Bundestag am 28. April mit großer Mehrheit für die Lieferung schwerer Waffen gestimmt hat und ukrainische Soldaten in Deutschland ausgebildet werden sollen, beunruhigt die Friedensinitiative zutiefst. Gärtner verweist auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, wonach Deutschland bei Waffenlieferungen und Ausbildung ukrainischer Soldaten "den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen würde". Als Friedensaktivist werde man im derzeitigen gesellschaftlichen Klima schnell in die Schublade "Putin-Versteher" gesteckt. Die Friedensdemos in München kurz nach Kriegsbeginn habe er jedenfalls "nicht so friedlich empfunden", sagte der Sozialdemokrat. Da sei man als Mitglied der Friedensbewegung schon mal angegangen worden: "Was wollt ihr jetzt, da müssen wir doch draufhauen."

Helmut Groß, Sprecher der Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen. (Foto: Manfred Neubauer)

Immer wieder hat sich die Landkreisgruppe in den vergangenen Jahrzehnten mit Aktionen, Unterschriftenlisten, Offenen Briefen positioniert: 1991 gegen den Krieg im Irak, 1999 gegen den Kosovo-Krieg mit deutscher Beteiligung. Sie erstattete Strafanzeige gegen die damaligen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder mit der Begründung, es habe im Kosovo kein UN-Mandat für die Bombardierung mit Nato-Flugzeugen gegeben. Außerdem sei Uran-Munition abgefeuert worden, für deren Ächtung sich die UN-Menschenrechtskommission seitdem einsetze. Zum Jahrestag des Nato-Angriffs organisierte der Verein am 24. März 2000 eine 20-minütige Blockade der Isarbrücke, als symbolischen Verweis auf die 60 Brücken, die während des Kriegs in Jugoslawien bombardiert worden waren. 1999 wandte sich die Gruppe in einem offenen Brief an den russischen Botschafter in Berlin, mit der Forderung, die Angriffe in Tschetschenien einzustellen. Die Friedensinitiative bewirkte, dass Geretsried und Bad Tölz Mitglieder der Aktion "Mayors for Peace - Bürgermeister für den Frieden" sind, die sich auch für die Abschaffung von Atomwaffen einsetzt. Seit 2001 unterstütze man ein Krankenhaus im afghanischen Chak, erklärte Groß, ebenso die Aktion "Ferien im Krieg": Kinder und Jugendliche aus Kriegsgebieten werden "im Sinne der Versöhnung" zu einer Ferienfreizeit eingeladen.

Die Jubiläumsveranstaltung im Geltinger Hinterhalt findet am Sonntag, 8. Mai, statt. Um 11 Uhr gibt es ein Podiumsgespräch, anschließend ein Friedenskonzert mit dem Duo "Zeitreise". Die Veranstaltung ist kostenlos. Spenden gehen an den Helferkreis "Ukrainehilfe Kochel" und an das Krankenhaus in Chak.

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