Flüchtlinge im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen:Wieder mehr Flüchtlinge

Lesezeit: 2 min

Die Regierung von Oberbayern beansprucht Gemeinschaftsunterkünfte auch im Landkreis. Landrat Niedermaier sagt: Die kreisinterne Quote ist praktisch außer Kraft gesetzt

Von Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Anzahl der Flüchtlinge, die im Landkreis untergebracht werden müssen, dürfte 2017 wieder steigen. Der Grund dafür ist, dass die Regierung von Oberbayern die Bayernkaserne in München als Erstaufnahmeeinrichtung zum Jahresende schließt und Asylsuchende dann aufs Umland verteilt. Im Landratsamt ist man darauf vorbereitet. Knapp 500 Plätze würden dafür in sechs großen Gemeinschaftsunterkünften vorgehalten, teilt Karsten Ludwig, Leiter des neuen Sachgebiets Asyl, mit. Zu erwarten sei, "dass die Regierung diese Plätze zum großen Teil belegen wird".

Momentan leben 1852 Flüchtlinge in 169 Liegenschaften des Landkreises. Ob sich ihre Anzahl nächstes Jahr auf etwa 2300 erhöhen wird, vermag Ludwig zwar nicht vorherzusagen, er ist sich aber sicher: "Ein nicht unerheblicher Teil aus der Bayernkaserne wird bei uns in die Gemeinschaftsunterkünfte kommen." Dazu gehören die Neubauten am Schulzentrum Geretsried, die 250 Plätze haben, das Tölzer Schulzentrum mit 120, das neue Asylheim der Stadt Bad Tölz auf der Flinthöhe mit 170, das ehemalige Pfarrheim in Wolfratshausen mit 120 und die sanierte Leonardis-Klinik in Bad Heilbrunn mit 90 Plätzen. Schon belegt sind die Filigranhalle an der Blumenstraße in Geretsried, wo 150 Menschen leben, und das alte Vermessungsamt in Wolfratshausen mit 80 Bewohnern. Diese großen Unterkünfte werden dann nicht mehr vom Landkreis, sondern von der Regierung betrieben.

Weil unklar, ist ob sich die Flüchtlingskrise nicht wieder verschärft, herrscht im Landratsamt nach wie vor "eine gewisse Orientierungslosigkeit", wie Sozialamtsleiter Thomas Bigl sagt. Deshalb behält sich die Behörde vor, im Notfall doch einen Bauantrag für die Prinz-Heinrich-Kaserne in Lenggries zu stellen, um ein Belegungsrecht für drei Jahre zu bekommen - mit Verweis auf die 2014 erlassene Ausnahmeregel, dass eine Flüchtlingsunterkunft in einem Gewerbegebiet möglich sei, auch wenn soziale Einrichtungen dort sonst ausgeschlossen sind. Erst im November hatte das Bundesverwaltungsgericht der Gemeinde Lenggries im Streit mit Peter Wasner, dem ein Teil der Kaserne gehört, Recht gegeben: Der Bebauungsplan für ein reines Gewerbegebiet ist gültig, eine Wohnbebauung damit ausgeschlossen. Die Flüchtlingsquartiere in der Kaserne werde man nun "wahrscheinlich räumen", sagt Landrat Josef Niedermaier (FW). Allerdings nur ungern. Sie hätten in der Hochphase der Zuwanderung im Herbst vorigen Jahres "hohen Nutzen gehabt und viel Druck von uns genommen". Klar ist die Sache für Niedermaier beim Jodquellenhof im Tölzer Kurviertel. Das ehemalige Hotel werde "vom Netz genommen, stromtechnisch gesprochen".

Die freiwillige Quote, über die der Landkreis bisher die Schutzsuchenden auf alle 21 Städte und Gemeinden verteilt hat, ist nur mehr Makulatur. Seit April setzt die Staatsregierung auf große Gemeinschaftsunterkünfte anstatt auf dezentrale Domizile. Dadurch ergäben sich naturgemäß Verschiebungen in der Aufnahme von Flüchtlingen pro Kommune, "die Quote ist praktisch außer Kraft", sagt Niedermaier. Der Abschied von dem "lieb gewordenen Instrument" fällt dem Landrat zufolge nicht allen Bürgermeistern leicht. Inder jüngsten Dienstbesprechung im Landratsamt habe "der eine oder andere schon gesagt, jetzt sind wir die Blöden, weil wir die großen Unterkünfte haben".

Der Stopp der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen durch die Regierung missfällt den Bürgermeistern noch aus anderen Gründen. Sie mussten die mitunter komplizierten Verhandlungen mit privaten Hausbesitzern, doch Asylsuchende einzuquartieren, rigoros abbrechen. Nun verweisen sie darauf, dass dieser Weg wegen des Vertrauensverlustes bei ihren Gesprächspartnern verschlossen sein wird, sollte sich die Flüchtlingsnot wieder zuspitzen. "Sie haben klar gesagt, das werden wir nicht schaffen, wenn die Maschinerie wieder in die andere Richtung läuft." Bürgermeister Michael Müller (CSU) habe zudem sehr deutlich gemacht, dass die Abkehr vom dezentralen System der Integration von Flüchtlingen zuwiderlaufe, so Niedermaier. Da stimmt Abteilungschef Ludwig dem Geretsrieder Rathauschef zu. Große Unterkünfte seien zwar wirtschaftlicher zu führen, aber "hinderlich für die Integration". Diese Position bringe er auch in seinen Gesprächen mit der Regierung vor, sagt Ludwig.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: