Fliegende Nutztiere:Ein Bienenvolk für die ganze Familie

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Miriam Riecke hält in Ammerland vier Bienenvölker. Die Erfahrungen, die sie als Imkerin zusammen mit ihren Kindern und ihrem Mann macht, teilt sie auf einem Blog im Internet. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Imkerei liegt voll im Trend. Auch im Landkreis wachsen die Mitgliederzahlen in den Vereinen stetig. Immer mehr Frauen halten die fleißigen Insekten in ihrem Garten - nicht nur wegen des Honigs

Von Vinzenz Gabriel

Das Titelbild der Website schmückt eine Nahaufnahme einer Bienenwabe, auf der sich die Bienen emsig im Arbeitsmodus auf den Brut- und Pollenzellen tummeln. Darunter ein lebendig aus Bildern und Texten zusammengestellter Bienenkalender, der zeigt, wie Miriam Riecke ihr erstes Bienenjahr erlebt hat. Im neuesten Eintrag vom September dreht sich das Thema um die Winterbiene. Das dazugehörige Bild: eine der letzten Blüten des Jahres. Unter der Adresse ostufer-honig.de hat sich die Münsingerin einen Blog im Internet eingerichtet, um "in erster Linie Freunde und Familie über meine Imkertätigkeit zu informieren", wie sie erklärt. Im Frühjahr hat Riecke damit begonnen, ihre Erfahrungen im Internet zu teilen. Ihr erstes Bienenvolk hatte sie im Jahr zuvor von einer erfahrenen Imkerin aus dem Geretsrieder Imkerverein bekommen. Zur Vorbereitung besuchte sie einen zweitägigen Imkerkurs, und der Verein stellte ihr eine Imkerpatin zur Seite. "Die Frau, von der ich das Volk bekommen habe, betreibt die Imkerei schon seit vielen Jahren und zeigt mir vieles anhand der Arbeit bei den Bienen", erklärt die 38-Jährige. Ihr Entschluss, mit der Imkerei zu beginnen, kam nicht ganz überraschend. "Ich wollte schon seit mehreren Jahren mehr mit der Natur arbeiten", erzählt Riecke. "Es geht mir auch um eine regionale ökologische Ernährung und um meine Kinder, weil ich sie an die Bienen heranführen möchte."

Inzwischen hat Riecke vier Völker in ihrem Garten stehen, Honig geschleudert hat sie in diesem Sommer gleich zweimal. In ihrem Blogeintrag vom Juni ist zu lesen: "Zwar waren vor allem meine Bienen fleißig, aber ich platze trotzdem fast vor Stolz." Dazu sieht man ein Foto, auf dem der zähflüssige Honig aus der Schleuder auf das darunter liegende Sieb in den Kübel läuft.

Spätestens seit dem Volksbegehren für Artenvielfalt in Bayern mit dem Titel "Rettet die Bienen" steht die Biene symbolisch für alle vom Aussterben bedrohten Insekten. Sie ist nicht nur Leittier auf den Plakaten des Bürgerbegehrens gewesen, sondern scheint schon länger ein gesellschaftliches Thema zu sein, das viele umtreibt. Andernfalls wäre das erfolgreichste Volksbegehren in der bayerischen Geschichte nur schwer zu erklären.

Imkern liegt im Trend. Das bemerkt auch Günther Schwartz, Schriftführer im Geretsrieder Imkerverein. "Wir erfahren in den letzten Jahren einen enormen Zulauf an Mitgliedern und platzen inzwischen aus allen Nähten", erklärt der 83-Jährige, der selbst 17 Bienenvölker betreut. Es freut ihn, dass die Bevölkerung bei dem Thema hellhöriger geworden ist. Während das Imkern lange Zeit eine Männerdomäne war, treten nach Schwartz' Erfahrung immer mehr junge Frauen ein, von denen "viele Liebe und Gespür für die Natur mitbringen", sagt der Schriftführer.

Den exakten zahlenmäßigen Überblick gibt Anja Zeus, die Kassiererin des Vereins. In ihrem Garten hat die Ickingerin zwei Bienenvölker stehen. "Mein Mini-Beitrag zur Umwelt", nennt sie es. Beigetreten ist sie dem Verein schon vor neun Jahren. Sie erinnert sich: "Damals war ich als junge Frau unter fast nur älteren Männern. Aber ich wurde dennoch gut aufgenommen." Aus der Mitgliederstatistik geht hervor, dass der Verein von 145 aktiven Mitgliedern im Jahr 2010 auf heute 211 Mitglieder angewachsen ist. Dabei stieg in demselben Zeitraum der Frauenanteil von 13 auf 23 Prozent. Interessant dabei: Die Anzahl an Bienenvölkern hat sich unter den Imkern im Geretsrieder Imkerverein um 66 Völker auf 966 verringert.

Die gleiche Erfahrung macht derzeit auch Georg Kellner, der Vorsitzende des Imkervereins Bad Tölz. Auch er zeigt sich von dem enormen Zulauf überrascht. "Wir sind 180 Mitglieder im Verein, vor wenigen Jahren waren es noch 70." In jüngster Zeit seien immer mehr Frauen beigetreten. Kellner glaubt, dass dieser Trend - begünstigt durch das Volksbegehren - auf eine Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema zurückzuführen sei. Dass hingegen trotz steigender Mitgliederzahlen die Anzahl an Bienenvölkern abnimmt, wundert ihn nicht: "Vielen Neuimkern geht es hauptsächlich darum, ein paar Völker im Garten zu haben, vielen ist die Honigernte gar nicht so wichtig", sagt er. Die älteren Mitglieder hingegen hätten meist mehr Völker pro Person betreut.

Das passt zu Barbara Bernlochner, die zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in diesem Jahr mit zwei Bienenvölkern begonnen hat. Familiär hatte sie bereits in jungen Jahren mit Bienen zu tun. "Mein Onkel hat schon geimkert, und meinen Cousin habe ich einmal durch das Bienenjahr begleitet", erzählt sie. Genauso wie Riecke hat auch sie eingangs einen zweitägigen Imkerkurs besucht, gemeinsam mit ihrem Mann. "Und wenn wir Fragen haben, steht uns mein Cousin immer mit Rat zur Seite." Obwohl sie sich über di e heuer 40 Kilogramm geernteten Honig sehr freue, gehe es ihr bei den Bienen vorrangig um die Bestäubung der Blüten im Garten, sagt Bernlochner. Doch je länger sie nun mit ihnen arbeite, umso faszinierender finde sie die Wesen. "Die Bienen haben etwas unglaublich Beruhigendes. Manchmal kann ich einfach nur dasitzen und ihnen zuschauen", sagt sie. "Das geht übrigens auch meine Kindern so."

Die Imkerei scheint zunehmend ihren Weg in junge Familien zu finden, die einen ökologisch Beitrag leisten und bei ihren Kinder den Naturbezug fördern möchten. Riecke, die sich in Elternzeit befindet, zeigt sich von den Arbeit mit den emsigen Tieren begeistert. Dennoch war sie überrascht: "Die Imkerei ist als Ganzes sehr komplex und zeitintensiv. Am Anfang sollte man unbedingt einen erfahrenen Imker haben, der einem hilft." Die Politikwissenschaftlerin nimmt zudem immer öfter Bücher zur Hand, um sich mehr Wissen anzueignen. Der Grund, weshalb sie heute vier Bienenvölker betreut anstatt nur eines, wie sie es eigentlich plante, war ein Ratschlag der älteren Imker: "Man sollte mindestens drei Völker haben, da man über den Winter immer damit rechnen muss, dass welche eingehen." Die Begeisterung für die Bienen hat inzwischen ihre ganze Familie erfasst. "Die Kinder saugen das Wissen direkt auf und wachsen an den Aufgaben", freut sich Riecke. "Auch mein Mann macht immer mehr mit."

© SZ vom 24.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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